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Von nadir.org bis linksunten.indymedia – Linksextreme Internetplattformen

Insgesamt ist die Datenlage zu Plattformen und Online-Angeboten, die sich dem linksextremen Spektrum zuordnen lassen, eher klein. Bis auf die Berichte von Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder gibt es nur wenige Studien, welche sich mit linksextremer Ansprache im Internet befassen.

Bereits im Jahr 1993 wurde das strömungsübergreifende Portal nadir.org gegründet. Ziel war es, „durch das Bereitstellen von [E-]mail, [W]ebspace, [M]ailinglisten, [N]ewsgroups auf ‚eigener‘ Infrastruktur die Vernetzung durch Nutzung der ‚neuen Medien‘ voranzutreiben“. Heute enthält die Seite „Initiativseiten“ von linken Gruppen, Initiativen, Vereinen und Projekten, „Kampagnenseiten“, „Periodika“ mit digitalen Veröffentlichungen verschiedener Projekte sowie ein „Archiv“, das Grundlagentexte zu verschiedenen politischen Themen versammelt.

Im Jahr 2001 wurde die Plattform linksunten.indymedia als deutscher Ableger des globalen Mediennetzwerks Indymedia mit dem Ziel gegründet, eine „‚Gegenöffentlichkeit‘ frei von staatlicher Kontrolle“ zu schaffen. Diese Plattform unterliegt seit 2017 einem Verbot des Verfassungsschutzes. Auch die Nachfolgeseite de.indymedia gilt inzwischen als linksextremer Verdachtsfall.

Als linksextrem stuft der Bundesverfassungsschutz auch die im Jahr 1947 gegründete Zeitung „Junge Welt“ und die dazugehörige Online-Präsenz ein. Die „Junge Welt“ versteht sich selbst als „linke, marxistisch orientierte überregionale Tageszeitung“. Sie „fördert alle politischen Formen von Protest und Widerstand“ gegen Kapitalismus und Faschismus und „unterstützt den Kampf für Alternativen, den Dialog und die Vernetzung zwischen den verschiedenen Strömungen der Linken“. Laut BMI (2020) gelten einzelne Redaktionsmitglieder, Autorinnen und Autoren als linksextrem. Weiterhin bekenne sich die „Junge Welt“ nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit.

Mädchen mit blauen Haaren am Smartphone.

Marco_Piunti via Getty Images

Linksextrem oder linksdemokratisch? – Definitionsprobleme

Ebenso wie nadir.org enthält de.indymedia neben linksradikalen auch linksdemokratische Inhalte. Dies deutet darauf hin, dass eine trennscharfe Definition von Linksextremismus eine Herausforderung bleibt (siehe „Was ist Linksextremismus?“). Als linksextrem gelten auf diesen Plattformen insbesondere Aufrufe zu Gewalttaten gegen Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten sowie gegen Vertreterinnen und Vertretern des „Repressionsstaates“ wie etwa die Polizei. Weiterhin finden sich bei de.indymedia laut Bundesamt für Verfassungsschutz Bekennerschreiben für verübte Sachbeschädigungen oder Gewalttaten, Bauanleitungen für Spreng- oder Brandvorrichtungen sowie verfassungsfeindliche Texte.

Neben den beiden genannten Plattformen gibt es zahlreiche spezifische Portale, die dem linksextremen Spektrum zugeordnet werden können. Diese enthalten einerseits szenetypische Selbstdarstellungen der Gruppierungen und Kontakthinweise. Andererseits informieren sie zu bestimmten Themen oder enthalten Aufrufe für die Beteiligung an gemeinsamen Aktionen. Im Hinblick auf die Online-Auftritte von Autonomen beobachtet der Hessische Verfassungsschutz auch bei den Internetseiten eine gewisse „Hierarchiefeindlichkeit“. Diese äußere sich im Fehlen einer klaren Menüstruktur und Nutzerführung. Internetauftritte orientierten sich an den inhaltlichen Schwerpunkten der einzelnen Gruppen: Zu finden seien im Wesentlichen Ereignisberichte und Bildmaterial von gemeinsamen Aktionen sowie Ankündigungen von Veranstaltungen.

Engagement gegen Rechtsextremismus und für den Klimaschutz

Um Aufmerksamkeit zu erregen, demokratische Diskurse zu beeinflussen und dadurch die eigenen ideologischen Positionen öffentlich zu platzieren, werden gezielt tagespolitisch bedeutsame Themen aufgegriffen. Während die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus als Thema dauerhaft besetzt wird, engagieren sich Linksextreme aktuell besonders im Kontext klimabezogener Proteste. So nahmen sie etwa an Demonstrationen gegen die Abholzung des Hambacher Forsts teil oder beteiligten sich an Aktionen zivilen Ungehorsams des europaweiten Bündnisses „Ende Gelände“, dessen Kernforderung der Kohleausstieg ist. Dies sind zwei Beispiele dafür, wie linksextreme Gruppierungen Themenfelder aufgreifen, die insbesondere für jüngere Zielgruppen bedeutsam sind. Auf diese Weise werden linksextreme Ideologieelemente auch anschlussfähig für Heranwachsende.

Eine Vielzahl von Merchandise-Artikeln wie T-Shirts mit dem antifaschistischen Aufdruck „Good Night White Pride“, dem Antifa-Symbol oder Aufklebern mit „FCK NZS“ erleichtern zusätzlich den Zugang zu jugendkulturell geprägten Szenen. Wenngleich die damit verbundenen Symbole und Aufdrucke teilweise gewaltverherrlichend sind, können nicht alle Personen, die derartige Kleidung und Sticker tragen oder verteilen, als linksextrem gelesen werden. Auch hier sind die Grenzen zwischen linksdemokratischen und linksextremen Idealen für soziale Gerechtigkeit und Freiheit fließend.

Soziale Medien als wichtige Kommunikationsinstrumente

Um Sympathisantinnen und Sympathisanten für gemeinsame Aktionen zu mobilisieren und über diese zu informieren, kommen selbstverständlich auch soziale Medien zum Einsatz. Im Kontext des G20-Gipfels in Hamburg 2017 war Twitter ein wichtiges Element des linken und linksextremen Protestes. Unter Hashtags wie beispielsweise „#NoG20“ oder „#Welcometohell“ wurde an den ersten beiden Tagen zur Teilnahme an den Protesten aufgerufen. Jedoch sind linksextreme Social-Media-Angebote generell eher lokal orientiert und erreichen daher nur kleine Zielgruppen. Im Vergleich zur rechtsextremen oder islamistischen Szene, fehlen im linksextremen Spektrum weitgehend bekannte Influencer.

Während offene Plattformen wie z.B. Facebook oder Twitter eher der öffentlichen Agitation dienen, liegt der Fokus für die Mobilisierung vermehrt auf privaten und verschlüsselten Messenger-Diensten wie z.B. Telegram. Ebenso wie die rechtsextreme und islamistische Szene nutzt auch die linksextreme Szene verschlüsselte Dienste, um Regulierung und Sanktionierung durch Plattformbetreiber und Behörden zu entgehen.

Quellen

[10] Pfahl-Traughber, A. (2020):

Linksextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer VS. zurück nach oben

[11] Görland, S. O. und Schmitt, J. B. (2017):

Der G20-Gipfel und die Rolle der (sozialen) Medien, oder auch: PANIK! Eine kritische Analyse. heuler 119. Das Studierendenmagazin der Uni Rostock auf Papier. zurück nach oben

Dr. Josephine B. Schmitt, Wissenschaftliche Koordinatorin, CAIS

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