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Machen sich Bullys strafbar?

Ehrverletzungsdelikte

In Deutschland existiert bis dato kein eigenständiger Straftatbestand für Cybermobbing. Trotzdem können viele zum Cybermobbing gehörige Handlungen nach geltendem Recht und Gesetz strafbar sein, da sie das im Grundgesetz verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht betreffen. Besonders die sogenannten Ehrverletzungsdelikte können strafrechtlich relevant sein:

  • Herabsetzende Werturteile und die vorsätzliche Kundgabe der Missachtung einer Person sind strafbare Beleidigungen (§ 185 StGB). Dazu zählen verletzende und demütigende Aussagen, die über die reine Kritik oder Meinungsäußerung hinausgehen. Ob das Liken und Teilen solcher Aussagen ebenfalls unter den Straftatbestand der Beleidigung fällt oder lediglich unter die Beihilfe zur Beleidigung, ist strittig.
  • Unter den Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB)  fällt das Behaupten oder Verbreiten von Tatsachen, die andere verächtlich machen oder in der öffentlichen Meinung herabwürdigen können.
  • Wer vorsätzliche unwahre Tatsachen mit ehrverletzender Wirkung verbreitet, begeht eine Verleumdung (§ 187 StGB).
  • Auch die Behauptung und Verbreitung wahrer Tatsachen, z.B. in Form einer intimen Videoaufnahme, können als „Formalbeleidung“ strafbar sein, wenn die Form der Behauptung, Verbreitung oder deren Umstände beleidigenden Charakter haben (§ 192 StGB in Verbindung mit § 187 StGB). Dies trifft beispielsweise zu, wenn eine intime Videoaufnahme in einem sozialen Netzwerk öffentlich geteilt und dadurch in einer herabwürdigenden Form veröffentlicht wird.

Strafbare Veröffentlichung von Fotos und Videos

Fotos und Videos können Menschen in äußerst verletzlicher, intimer oder demütigender Weise zeigen. Bildaufnahmen von dritten Personen herzustellen und zu verbreiten – wie es beim Cybermobbing häufig der Fall ist – steht daher gleich doppelt unter dem besonderen Schutz des Gesetzgebers:

  • Nach § 201a StGB ist es verboten, unbefugt Bildaufnahmen von Dritten in besonders geschützten Räumen herzustellen und zu verbreiten. Zu diesem „höchstpersönlichen Lebensbereich“ zählt z.B. die eigene Wohnung. Auch Selbstaufnahmen und Bildaufnahmen, die unter Zustimmung von Dritten in besonders geschützten Räumen hergestellt wurden, dürfen nicht ohne deren Erlaubnis an Dritte weitergegeben werden. Umfasst eine Videoaufnahme eine Tonspur, kann dadurch auch eine Verletzung der „Vertraulichkeit des Wortes“ vorliegen (§ 201 StGB).
  • Paragraf 22 des Kunsturhebergesetzes legt zudem fest, dass sämtliche Bildnisse von Personen nur mit der vorherigen Einwilligung aller Abgebildeten verbreitet oder veröffentlicht werden dürfen. In Paragraf 33 wird ein Verstoß dagegen explizit unter Strafe gestellt. Ausnahmen bilden hier lediglich Bildnisse, die der Zeitgeschichte zuzuordnen sind, auf denen eine Person nur als „Beiwerk“ (z.B. neben einer Landschaft) zu sehen ist oder die Versammlungen, Aufzüge und ähnliche Vorgänge zeigen (§ 23 KunstUrhG). Als Bildnis gelten alle Abbildungen, auf denen die äußere Erscheinung einer Person erkennbar ist, wie z.B. Fotos, Videos, Gemälde oder Karikaturen.

Weitere Straftatbestände

  • Verschaffen sich Täter/-innen Zugang zu passwortgeschützten Social-Media oder Online-Konten der Opfer, kann dies nach § 202a StGB als „Ausspähen von Daten“ strafbar sein. Besonders bei anhaltendem Cybermobbing, bei dem die Täter/-innen zu drastischen Mitteln greifen, können auch die Tatbestände der Nachstellung (§ 238 StGB, vor allem beim Cyberstalking), der Nötigung (§ 240 StGB), der Bedrohung (§ 241 StGB) oder der Erpressung (§ 253 StGB) erfüllt sein. In schlimmen Fällen von Cybermobbing wie dem „Happy Slapping“ können Körperverletzung (§ 223 StGB) oder eine strafbare Gewaltdarstellung (§ 111 StGB) zur Anzeige gebracht werden.

Wird gegen eine oder mehrere der genannten Gesetze verstoßen, so liegt eine Straftat vor. Diese kann bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft angezeigt werden und entsprechende Sanktionen in Form von Geld- oder Freiheitsstrafen nach sich ziehen. In Deutschland sind Heranwachsende ab dem vollendeten 14. Lebensjahr strafmündig und können somit auch für Online-Delikte bestraft werden.

Sind die Täter/-innen anonyme Personen, besteht jedoch die Möglichkeit, dass sie nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden können, sodass eine Strafverfolgung nicht stattfindet. Viele Delikte, die im Zusammenhang mit Cybermobbing verübt werden, werden zudem nur auf Antrag innerhalb einer bestimmten Antragsfrist verfolgt. Einige Delikte können darüber hinaus nur durch Privatklage, nicht durch öffentliche Klage der Staatsanwaltschaft verfolgt werden, was die Chancen auf eine Verurteilung schmälert.

Statue von Justizia vor einem Computerbildschirm

simpson33 via Getty Images

Zivilrechtliche Maßnahmen bei Cybermobbing

Informelle Aufforderung

Auch wenn der Gang zu Polizei und Staatsanwaltschaft bei drastischen Fällen in Betracht gezogen werden kann, stellt er kein Allheilmittel gegen Cybermobbing dar. Bei der Verletzung allgemeiner Persönlichkeitsrechte stehen den Betroffenen verschiedene zivilrechtliche Maßnahmen zur Verfügung, aus denen sich Unterlassungs-, Berichtigungs- und Schadenersatzansprüche ableiten.

Die einfachste Möglichkeit ist die informelle Aufforderung an den Bully oder den Anbieter einer Webseite oder App, die schädigenden Inhalte (z. B. Posts, Fotos, Fake-Accounts) bis zu einer festgelegten Frist zu entfernen und weiteres Mobbing zu unterlassen. Ohne einen pädagogisch-psychologischen Begleitprozess, den Fachleute wie Schulpsychologen oder Mitarbeiter/-innen von Beratungsstellen koordinieren, ist die reine Aufforderung allerdings wenig erfolgversprechend.

Abmahnung

Wenn eine Unterlassungsforderung gestellt wurde und erfolglos bleibt, kann eine Abmahnung folgen. Eine Abmahnung ist ein formeller Brief, in dem das zu schädigende Verhalten genau beschrieben und die Täterin oder der Täter dazu aufgefordert wird, es bis zu einer festgelegten Frist zu unterlassen. Hierzu muss der Bully eine rechtsgültige Unterlassungserklärung unterzeichnen.

Unterlassungsklage und einstweilige Verfügung

Geschieht auch dies nicht, kann schließlich noch eine Unterlassungsklage angestrengt werden. Diese hat zum Ziel, die in der Abmahnung gestellten Forderungen gerichtlich durchzusetzen. Liegt die Rechtsverletzung wenige Wochen oder Monate zurück, gibt es zudem das Mittel der einstweiligen Verfügung, das eine Art Schnellverfahren der Unterlassungsklage darstellt.

Falls die Täterin oder der Täter nicht bekannt ist, kann auch gegen den Betreiber eines Online-Angebots eine einstweilige Verfügung beantragt werden, um die Löschung problematischer Inhalte zu bewirken. Insofern Anbieter ihren Sitz nicht in Deutschland haben und somit auch nicht der deutschen Rechtsprechung unterliegen, kann es allerdings auch hier zu Schwierigkeiten kommen.

Katy Gillner & Madeleine Hankele-Gauß

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