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Letzte Aktualisierung: 26.10.2023

Kriegsbilder in den Medien, Schlagzeilen und Social-Media-Timelines: auch Kinder bekommen vieles mit, was sie beunruhigt, verunsichert und ängstigt. Wie können Erziehende mit solchen Medienthemen umgehen? Und warum erreicht die mediale Gewalt auch Kinder ohne TikTok und Co.? Unsere Expertin Andrea Zeisberg liefert Antworten.

Terror und Krieg im Nahen Osten ist sowohl in den Nachrichten als auch in den Timelines auf Social Media beherrschendes Thema. Schnell verbreiten sich Propaganda, Desinformation und vor allem auch grausame Bilder.

Die Algorithmen der sozialen Netzwerke verstärken die Reichweite dieser Clips automatisch. Die Inhalte, die am häufigsten gesehen und geteilt werden, landen oft ganz von selbst in der eigenen Timeline. Diese mitunter verstörenden aktuellen Bilder vermischen sich mit bereits älteren Videos über den seit Jahrzehnten ungelösten, komplexen Nahostkonflikt.

Selektion und Ausgewogenheit unmöglich

Unter den Bildern und Clips finden sich informierende Inhalte mit gut recherchierten Quellen ebenso, wie undifferenzierte Meinungsäußerungen oder auch Fake News sowie radikale Inhalte. Hier ist es meist schon für Erwachsene schwer genug, den Überblick zu behalten.

Brutale Bilder auch ohne Social-Media-Account auf dem Smartphone

Aufgepasst: Heranwachsende müssen nicht mal einen eigenen Social-Media-Account besitzen, um mit Videos von TikTok oder anderen Plattformen konfrontiert zu werden. Schnell können die Clips und Bilder von Mitschüler/-innen direkt aufs eigene Handy geschickt werden: Messenger machen’s möglich!

Kinder und Jugendliche kann die Konfrontation mit diesen Inhalten verunsichern, überfordern und ängstigen. Aber was können Eltern tun?

Kriegsbilder in den Medien, Schlagzeilen und Social-Media-Timelines: auch Kinder bekommen vieles mit, was sie beunruhigt, verunsichert und ängstigt. Wie können Erziehende mit solchen Medienthemen umgehen? | banusevim/iStock/Getty Images Plus via Getty Images

Umgang mit Nachrichten in der Familie 

Grundsätzlich ist es wichtig, mit den Kindern im Gespräch zu sein und gerade bei jüngeren Kindern die Mediennutzung eng zu begleiten. Sicherheitseinstellungen wie der begleitete Modus auf TikTok können Eltern dabei helfen. Unterstützung bei der Einstellung von technischen Jugendschutzeinstellungen finden Sie unter: medien-kindersicher.de. Diese Einstellungen sind aber kein Garant dafür, dass Ihr Kind nicht mit bedenklichen Nachrichten und Bildern in Kontakt kommt. Zudem haben auch Kinder ein Recht darauf, sich zu informieren (Kinder- und Jugendrechte). Nur wo und wie?

Für Kinder unter zehn Jahren sind Nachrichtensendung für Erwachsene nicht zu empfehlen. Hier bieten sich Kindernachrichtensendungen wie “logo!” an, die Geschehnisse altersgerecht aufbereiten. Nachrichten für Erwachsene sollten Kinder und Jugendliche gemeinsam in der Familie anschauen, damit Fragen direkt beantwortet und Ängste aufgefangen werden können.

Fragen konkret beantworten ohne Ängste und Sorgen zu übertragen

Fragen sollten sachlich und, gerade bei Kindern im Vor- und Grundschulalter sehr konkret beantwortet werden. Zu viel Kontext kann überfordern - auch für komplexe Probleme existieren kindgerechte Erklärungen wie zum Beispiel die über den Nahostkonflikt auf Hanisauland oder Kindersache. Beim Beantworten der Fragen ist es wichtig, einerseits auf die Informationen und Fakten einzugehen, andererseits aber auch die Emotionen der Kinder zu berücksichtigen und nicht die eigenen Ängste und Sorgen ungefiltert weiterzugeben. Als Elternteil kann man zugeben, dass die Situation einen beunruhigt, doch Gefühle, die darüber hinausgehen, sollten Eltern lieber mit anderen Erwachsenen besprechen.

Dabei gilt: Eltern müssen nicht immer alles wissen. Möchten Kinder nach weiteren Informationen suchen, empfehlen sich Recherchen über Kindersuchmaschinen wie “fragFinn” oder “blinde-Kuh”. Eine Alternative sind die bereits angesprochenen Kindernachrichtensendungen wie “logo!”, die komplexe Sachverhalte altersgerecht aufbereiten.

Ist der Krieg weit weg? Kindern den Bezug zum Alltag aufzeigen!

Um Ängste zu nehmen, kann es auch helfen, zu erklären und zu veranschaulichen, wie weit die Gewalthandlungen weg sind und dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass hier in Deutschland etwas ähnliches passiert. Beispielsweise kann auf einer Karte gezeigt werden, wie weit entfernt die betroffenen Länder sind, um die Relationen verständlicher zu machen.

In jedem Fall sollte klargestellt werden, dass Nachrichten immer über außergewöhnliche Dinge in der Welt berichten und nicht den Alltag abbilden. Auch berichten Nachrichten häufig über schlimme Ereignisse. Bewusst schöne Erlebnisse aus dem eigenen Umfeld zu reflektieren kann helfen, Abstand zu gewinnen.

Für einen klaren Kopf: Smartphone-freie Zeiten!

Gezielte Nachrichtenpausen helfen zudem nicht nur Kindern und Jugendlichen sondern auch Erwachsenen. Medienfreie Auszeiten, beispielweise für einen Spieleabend oder einen Ausflug mit der Familie, für Sport oder das Treffen mit Freunden lenken ab und machen den Kopf frei.

Problematische Inhalte auf Social Media 

Wenn Kinder über Social Media mit Inhalten in Berührung kommen, die sie ängstigen und verunsichern, brauchen sie Unterstützung bei der Verarbeitung.

Der erste und wichtigste Schritt ist hier als Elternteil das Gespräch zu suchen und sich darüber auszutauschen, was die Kinder bereits gesehen haben und welche Fragen und Gefühle das ausgelöst hat. Wichtig ist vor allem, Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass sie über ihre Sorgen und Ängste jederzeit sprechen können. Strikte Medienverbote sind nicht zielführend und können im Zweifel dazu führen, dass Kinder die gesehenen Inhalte aus Angst vor Konsequenzen vor den Eltern geheim halten.

Bei überfordernden Inhalten: Orientierung bieten

Gerade bei einem abstrakten Thema wie Terror und Krieg brauchen Kinder und Jugendliche Hilfe bei der Einordnung. Wenn Informationen und Bilder aus dem Nahen Osten beispielsweise über Influencer verbreitet werden, kann das eine noch größere Nähe suggerieren als etwa bei einem Bericht in einer Nachrichtensendung.

Das gilt insbesondere auch bei antisemitischen Medieninhalten, die seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel zugenommen haben. Kinder und Jugendliche können durch Internetrecherchen aber auch durch Postings in Messengern und Social Media in Kontakt mit Inhalten wie Hatespeech kommen, die sie verstören und überfordern. Hier bietet es sich an, beispielsweise über die Art der Berichterstattung zu diskutieren oder darüber, wie bestimmte Gruppen Nachrichten für ihre Zwecke nutzen. Diese größeren, ethischen und politischen Fragen sollten erörtert werden.

Erziehende – ob Eltern oder Pädagoginnen und Pädagogen - sind aufgefordert, die Dinge zu klären und die jungen Menschen zu stärken. Das Landesmedienzentrum bietet hierzu Informationen und Präventionsangebote sowie fundierte Hintergrundinformationen über Antisemitismus für Eltern und Pädagogen. Aber auch viele weitere Akteure wie die Landeszentrale für politische Bildung, die Opferberatungsstelle bei antisemitischen Vorfällen oder die Meldestelle REspect! können unterstützen.

Problematik von Falschnachrichten thematisieren

Wichtig ist hierbei immer, die Quellen von Informationen, Bildern und Videos zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen. Thematisieren Sie im Gespräch mit ihrem Kind, dass manche Menschen bewusst falsche Informationen verbreiten, um die Meinung anderer gezielt zu beeinflussen. Insbesondere Extremisten nutzen die Strategie der radikalen Vereinfachung für propagandistische Zwecke und wollen damit andere Menschen aufstacheln.

Nähere Informationen rund um das Thema Fake News finden Sie auf dem Portal des LMZ.

Bei Schlaflosigkeit: Gesehenes in Bildern und Texten verarbeiten

Wenn Kinder und Jugendliche aufgrund der gesehenen Bilder und Videos nachts nicht mehr schlafen können, kann es helfen, Träume und Sorgen aufzuschreiben oder aufzumalen. Das entlastet und die Gedanken kreisen nicht mehr um das eine Thema, man kann leichter loslassen und einschlafen. Auch Rituale vor dem Schlafengehen, wie das (Vor-)Lesen oder Anhören einer schönen Geschichte sorgen für Ablenkung.

Darüber hinaus kann es helfen, auf unterschiedliche Art selbst aktiv zu werden. Etwa indem eine Kerze für die Opfer angezündet wird. Jugendliche mit eigenen Social Media Accounts können sich an Solidaritätsbekundungen in sozialen Netzwerken beteiligen. In der Schulklasse könnte eine Aktion geplant werden, um mit selbst gemalten Bildern oder einem Video ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen. Die Kampagne “Bitte Was?! Kontern gegen Fake und Hass” bietet hier Anregungen und Unterstützung.

Fazit: Ängste wahrnehmen und Kinder ernst nehmen

Grundsätzlich können die Reaktionen von Kindern und Jugendlichen auf mediale Inhalte sehr individuell sein. Hier gilt es, auf die jeweilige, emotionale Lage des Kindes einzugehen und passende Erklärungen auf die Fragen zu suchen. Wenn Heranwachsende merken, dass sie mit ihren Sorgen und Ängsten wahrgenommen sowie ernst genommen werden, kann das bereits Trost spenden. Die beste Ressource ist deshalb gemeinsame und ablenkungsfreie Zeit!

Unsere Beratungsstelle

Unsere Beratungsstelle hat ein Ohr für Sie!

Bei individuellen Fragestellungen und Problemen rund um die Rezeption problematischer Medieninhalte hilft die medienpädagogische Beratungsstelle des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg weiter:  

Beratungsstelle anrufen

Lese-Tipps

Interview mit der Stuttgarter Zeitung

Andrea Zeisberg von der medienpädagogischen Beratungsstelle des Landesmedienzentrums (LMZ) gab ein Interview „Wenn man schlecht schläft, sollte man Abstand gewinnen“, das auf vielen Zeitungsseiten online verfügbar ist.

Interview mit der Stuttgarter Zeitung lesen

SESAM: Unterrichtsmaterialien und Entwürfe

In der SESAM-Mediathek finden Sie kostenfreie, didaktisch geprüfte Unterrichtsmedien und Lernmaterialien für alle Fächer und Schularten. Beispielsweise stehen Online-Mediensammlungen zu den Themen “Nahostkonflikt” und “Antisemitismus in Deutschland” zur Verfügung. Zum Thema Antisemitismus existiert zudem ein umfangreiches ePaper. Aber auch Spielfilme wie den prämierten Film “Masel Tov Cocktail” und Dokumentationen wie „Jung und jüdisch in Baden-Württemberg“. Darüber sind viele Unterrichtsmodul im Angebot, wie beispielsweise „Was sind eigentlich Fake News“ oder „Hass im Netz und was man dagegen tun kann“.

Zu SESAM: Jung und jüdisch in Baden-Württemberg

Zu SESAM: E-Paper BITTE WAS?! Antisemitismus erkennen und begegnen

Zu SESAM: Hass im Netz und was man dagegen tun kann: Unterrichtsidee

Zu SESAM: Fake it till you make it - was sind eigentlich Fake News?: Unterrichtsidee

LpB BW: Der Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern

Neben den medial stark präsenten Gräueltaten des Krieges hat der Nahostkonflikt auch eine sehr komplexe, politische Komponente. Probleme, wie zunehmender Antisemitismus, werden dadurch weiter geschürt. Um diese Themen gerade auch im Unterricht angemessen aufzuarbeiten, bietet bspw. die Landeszentrale für politische Bildung und das Demokratiezentrum Unterstützung.

Zur Landeszentrale für politische Bildung

Zum Demokratiezentrum Baden-Württemberg

ZSL: Krieg in Israel

Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) bietet eine Sonderseite mit Informationen und dem pädagogischen mit dem Konflikt in Baden-Württemberg an.

Zum Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung

Ufuq.de: „Solidarisch gegen Terror“ – Anregungen für eine Unterrichtsstunde zur aktuellen Situation in Israel und Palästina

Ufuq, eine bundesweit tätige Fachstelle zu Pädagogik, politischer Bildung und Prävention in der Migrationsgesellschaft, bietet Anregungen für Unterricht an, der dazu beiträgt, die Ereignisse im Unterricht zu thematisieren und eventuell bestehenden Spannungen entgegenzuwirken. Daneben steht eine Arbeitshilfe “Über Israel und Palästina sprechen. Der Nahostkonflikt in der Bildungsarbeit” zum Download bereit.

„Solidarisch gegen Terror“ – Anregungen für eine Unterrichtsstunde zur aktuellen Situation in Israel und Palästina

Über Israel und Palästina sprechen. Der Nahostkonflikt in der Bildungsarbeit

Arbeitshilfe downloaden

Weiterführende Themen auf dem LMZ Portal

Extremismus: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (lmz-bw.de)

Fake News: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (lmz-bw.de)

Hatespeech: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (lmz-bw.de)

LMZ YouTube: Mediensucht, Medienzeit, Medienregeln - Kinder und Jugendliche richtig begleiten

Andrea Zeisberg

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