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Letzte Aktualisierung: 21.11.2023

Das erste Mal verliebt sein: Für Teenager ist das eine aufregende und gleichzeitig aufwühlende Zeit. Spätestens jetzt interessieren sie sich auch für sexuelle Inhalte. Das ist normal und Teil ihrer Entwicklung. Normal ist auch, dass sich Jugendliche im Internet über Themen wie Körperbilder, Liebe, Partnerschaft oder Sex informieren und mit Freundinnen oder Freunden darüber chatten. Neben vielen guten Informationsangeboten treffen sie dort auch auf Verstörendes, Übergriffiges und Verbotenes. Im Rahmen von Flirts und Liebesbeziehungen werden vielleicht erotische Nachrichten oder Bilder ausgetauscht (Sexting). Aus Neugierde suchen Jugendliche im Internet manchmal auch nach Pornos. Beides muss nicht bedenklich sein.

Werden allerdings im Klassenchat pornografische Videos geteilt oder der Mitschülerin unaufgefordert ein Nacktbild zugeschickt, ist das sexuelle Belästigung beziehungsweise sexualisierte Gewalt. Die ungewollte Konfrontation mit derartigen Inhalten kann vor allem minderjährige Empfänger/-innen verunsichern, einschüchtern und verstören und ist zudem strafbar.
Wie man Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen im digitalen Raum schützen kann, erfahren Sie in unserem Spotlight. Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen erhalten Tipps und Hinweise zur Prävention von und Intervention bei sexueller Belästigung.

Workshop „Jugendsexualität und Internetpornografie“ für Schüler/-innen der Sek I

Elternabend zu „Gewalt und Pornografie in den Medien“

Beratung zu individuellen Fragestellungen durch die Medienpädagogische Beratungsstelle

Ein Mädchen mit lockigen Haaren und Kopfhörern hält sich die Hand nachdenklich an den Mund und starrt aus dem Fenster einer U-Bahn, in dem sich ihr Spiegelbild zeigt.

Sexuelle Belästigung findet heutzutage vielfach über digitale Medien statt und verfolgt die Betroffenen so überhall hin. | SolStock/E+ via Getty Images

Im Überblick: Wie findet sexuelle Belästigung im Netz statt?

Von sexueller Belästigung spricht man, wenn mit unerwünschten sexuellen Handlungen oder Aufforderungen – körperlich wie verbal – die betreffende Person eingeschüchtert, erniedrigt, angefeindet, entwürdigt oder beleidigt wird. Sexuelle Belästigung ist eine Form sexualisierter Gewalt, die bei unerwünschter sexueller Kommunikation und dem unaufgeforderten Zusenden von sexuellen Inhalten und Pornografie beginnt. Insbesondere, wenn Minderjährige betroffen sind, kann dies bei Betroffenen erhebliche Folgen haben. Da das Thema mit Ängsten und Schamgefühlen verbunden ist, werden trotzdem nicht alle Vorfälle Erwachsenen berichtet und offiziell bekannt. Eine Antwort auf die Frage „Wie häufig kommt das vor?“ leistet die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs.

Dickpics

Eine Form von sexueller Belästigung, die im Alltag häufig auftritt, ist das Versenden von intimen Aufnahmen von sich an Empfänger/-innen, die dem nicht eingewilligt haben. Dickpics, also Bilder von Penissen, werden vor allem Mädchen und Frauen über Messenger oder Direktnachrichten in sozialen Netzwerken zugesendet.Laut einer belgischen Studie haben 37 Prozent aller 15- bis25-jährigen Belgier/-innen schon einmal ein Dickpic erhalten.

Die Gründe für das unaufgeforderte Versenden dieser Bilder sind unterschiedlich: Manche hoffen auf ein Nacktbild des Empfängers oder der Empfängerin im Austausch, manche wollen mit dem Versenden dieser Bilder Macht demonstrieren und einschüchtern. Dabei ist das Versenden von pornografischen Bildern wie Dickpics nach Paragraf 184 des Strafgesetzbuches ohne Einverständnis der Empfänger/-innen verboten. Es können sogar Freiheitsstrafen drohen. Was man gegen ungewollte Dickpics tun kann, zeigt dieses Video.

Ungewollte Pornografie

Die ungewollte Konfrontation mit Pornografie ist ebenfalls eine Form von sexualisierter Gewalt. Immer wieder kommt es vor, dass Pornodarstellungen und -videos unter Jugendlichen in Klassenchats verbreitet werden. Einige Handy-Apps können dazu eingesetzt werden, aus Stand- oder Bewegtbildern von Gleichaltrigen oder Lehrpersonen „Collagen“ mit anderen Bildern oder Videos zu machen. Viele dieser „Collagen“ können witzig gemeint sein. Spätestens jedoch, wenn pornografisches Material verwendet wird, entstehen Deepfake Pornos, die eine stark viktimisierende Wirkung haben. Vielen Jugendlichen ist dabei gar nicht bewusst, welche weitreichenden Konsequenzen dies haben kann. Sie wissen zum Beispiel nicht, dass sie sich strafbar machen können, gerade wenn es um das Recht am eigenen Bild anderer geht. Handysektor.de gibt wertvolle Tipps, wie sich Kinder und Jugendliche verhalten können, wenn ihnen Pornovideos zugesendet wurden.

Interesse und Neugierde kann auch dazu führen, dass Jugendliche gezielt nach Pornografie suchen, die als entwicklungsbeeinträchtigend eingestuft ist und daher nur volljährigen Personen zugänglich gemacht werden darf. Da die meisten Zugangskontrollen leicht zu umgehen sind, haben auch Minderjährige Zugang. Ein Problem dabei ist, dass junge Menschen Normvorstellungen aus dem Konsum von Pornografie übernehmen können, die wenig mit der Realität zu tun haben. So wenig Action-Filme mit der Realität zu tun haben, sind auch Pornos keine Lehrfilme!

Cybergrooming

Über Online-Spiele und soziale Plattformen kommunizieren Kinder und Jugendliche aber nicht nur mit Freund/-innen aus ihrem Umfeld. Leicht können auch Unbekannte Kontakt aufnehmen. Wenn Erwachsene oder andere Minderjährige gezielt Kinder und Jugendliche über das Internet ansprechen, um sexuellen Kontakt anzubahnen, handelt es sich um Cybergrooming. Laut der JIM-Studie aus dem Jahr 2022 (Seite 57) gab ein Viertel der 12- bis 19-Jährigen an, schon einmal mit Cybergrooming konfrontiert worden zu sein (Mädchen 28 %, Jungen 21 %).

Dabei werden Minderjährige aufgefordert, Nacktaufnahmen zu versenden, sich vor der Kamera intim zu zeigen oder sich mit Täter/-innen im realen Leben zu treffen. Cybergrooming ist eine Form des sexuellen Missbrauchs und damit strafbar. Strafbar ist hierbei bereits die Kontaktaufnahme, die mit der Absicht erfolgt, das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen. Entscheidend ist also die Intention der Täterin oder des Täters. Noch perfider verhalten sich Täter/-innen, wenn sie Kinder und Jugendliche mit den ersten übersandten Intimfotos erpressen, immer weitere zu senden. Dann spricht man von Sextortion (vom Englischen: sex und extortion = Erpressung).

Infos und Tipps, wie Elternhäuser und Schulen Cybergrooming vorbeugen oder entgegenwirken können, gibt es unter anderem auf den Seiten von Juuuport (für Jugendliche), Schau-Hin und KlickSafe (für Erwachsene).

Interview zu Cybergrooming lesen

Artikel zu Täterstrategien bei Cybermobbing lesen

LMZ erklärt... Risikofaktoren für Cybergrooming!

Zur Prävention: Wie kann ich als Elternteil oder Lehrkraft sexuelle Belästigung vorbeugen?

Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen sollten Kinder und Jugendliche frühzeitig für das Risiko sexueller Belästigung im Netz sensibilisieren. Hierzu gehört auch, eine offene Haltung gegenüber den digitalen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. Bemerken Kinder und Jugendliche bei ihren erwachsenen Bezugspersonen eine eher ablehnende Haltung gegenüber Social Media & Co, so wird es Betroffenen von missbräuchlichem Sexting oder Cybergrooming vermutlich noch schwerer fallen, sich Erwachsenen anzuvertrauen.

  • Technischer Schutz vor verstörenden Inhalten:
    Bei jüngeren Kindern bietet es sich an, auf technische Maßnahmen wie des Aktiveren sogenannter SafeSearch Filter zurückzugreifen. Durch das Einrichten dieser geschützten Surfräume und die Installation von Jugendschutzprogrammen oder Kindersuchmaschinen kann das Risiko reduziert werden, auf unpassende und explizite Inhalte zu stoßen. Allerdings stellen diese technischen Lösungsangebote kein abschließendes Universalmittel dar, denn je älter die Kinder werden, desto gezielter werden solche Filter umgangen und damit wirkungslos.
  • Internet mit Bezugspersonen entdecken und „Nein“ sagen lernen:
    Kinder lernen am besten sich zu schützen, wenn das Internet gemeinsam mit Bezugspersonen entdeckt und der verantwortungsvolle Umgang damit begleitet wird.Hierbei sollten Sie ihr Kind auch bestärken, auf das eigene Bauchgefühl zu hören sowie es ermutigen, „Nein“ zu sagen und eigene Grenzen festzulegen.
  • Regeln für die Mediennutzung und persönliches Gespräch:
    Neben dem gemeinsamen Vereinbaren von klaren Regeln für die Mediennutzung allgemein und insbesondere auch für das Chatten im Netz, hat das persönliche Gespräch eine hohe Bedeutung und Wirkung. Auch wenn es nicht einfach fällt, über sensible Themen wie Pornografie oder unangenehme Erfahrungen im Netz, sexuelle Belästigung oder Cybergrooming zu sprechen, ist doch umso wichtiger, frühzeitig damit zu beginnen. Offene Gespräche können einerseits die gezielte Suche nach Pornografie aus Neugierde eindämmen. Andererseits steigern sie die Resilienz älterer Kinderer, die willentlich oder nicht früher oder später mit Pornografie im Internet in Kontakt geraten. Sie wissen dann bereits, dass ihre Eltern ihnen Hilfe und Unterstützung auch in diesem Bereich anbieten. Weitere Tipps für das gemeinsame Gespräch finden Sie auf der Website des Internet ABC.
  • Bezugspersonen als Verbündete:
    Viele Betroffene von sexueller Belästigung empfinden oftmals Scham darüber, was ihnen passiert ist und geben sich mitunter sogar selbst die Schuld. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche ihre erwachsenen Bezugspersonen als Verbündete erleben, die ganz klar auf ihrer Seite stehen und auch bei schwierigen oder peinlichen Themen nicht mit Strafen drohen.
  • Daten schützen und ungewollte Kontakte melden:
    Während für jüngere Kinder die altersgerechten und moderierten Kindercommunitys geeignet sind, stehen für ältere Kinder und Jugendliche angesagte Social Media Angebote im Vordergrund, welche nicht speziell für Heranwachsende konzipiert sind. Da die Anmeldung auf diesen Plattformen in erster Linie den Eltern obliegt, können Sie hier die Datenschutzbestimmungen und Privatsphäre-Einstellungen datensparsam festlegen. In diesem Zuge ist es ratsam, mit Jugendlichen die Möglichkeiten zu besprechen, wie das eigene Profil vor ungewollten Kontaktaufnahmen geschützt werden kann, wie sie Beiträge und Kontakte melden und blockieren können.
Ein Vater legt seinem Teenager-Sohn verständnisvoll die Hand auf die Schulter.

Ein offenes Gespräch über sensible Themen wie Sexting, Pornografie und Cybergrooming ist das A und O bei der Prävention von sexueller Belästigung. | Anchiy/E+ via Getty Images

Im Ernstfall: Wie reagiere ich als Elternteil oder Lehrkraft auf sexuelle Belästigung?

Wird ein Kind oder ein/-e Jugendliche/-r trotz aller Schutzmaßnahmen sexuell belästigt, gilt es besonnen, aber zügig zu handeln. Für Eltern und Fachkräfte ist es wichtig, altersgemäß über die Gefahr von sexueller Belästigung im digitalen Raum zu sprechen. Öffnet sich ein betroffenes Kind oder ein betroffener Jugendlicher, ist ein behutsamer und tröstender Umgang gefragt – verbunden mit der Klarstellung, dass Täter/-innen die volle Verantwortung tragen. Die Initiative Klicksafe bietet eine gute Übersicht über Tipps und Materialien zum Thema Umgang mit Cybergrooming.


Fazit: Kinder und Jugendliche stärken!

Sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen ist heute in vielfacher Weise mit digitalen Medien verknüpft. Damit Kinder und Jugendliche sich sicher im Netz bewegen können, ist es wichtig, die Medienkompetenz kontinuierlich zu fördern, ihre persönlichen Kompetenzen und Fähigkeiten zu stärken und einen positiven Bezug zum eigenen Körper zu unterstützen. Erwachsene sind auch Vorbilder.Sie sollten über unerwünschte Kontakte und sexuelle Belästigung im Internet sowie über Täterin/-innenstrategien aufklären. Digitale Medien sind ein wichtiger Bestandteil von Kindheit und Jugend, welcher entwicklungsförderlich und notwendig für die soziale Teilhabe ist. Interessieren Sie sich für die Erfahrungen, die Kinder und Jugendliche machen und begleiten Sie sie auf ihrer Reise! Eine vertrauensvolle, offene und wertschätzende Basis öffnet den Raum, sich auch über unangenehme Erfahrungen austauschen und an der richtigen Stelle Unterstützung bieten zu können.

Hilfe und Unterstützungsangebote

Medienpädagogische Beratungsstelle am LMZ BW

Unsere Beratungsstelle hat ein Ohr für Sie!
Bei individuellen Fragestellungen und Problemen rund um die digitale Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen hilft die Medienpädagogische Beratungsstelle des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg weiter:

Mo-Do: 8:30 bis 16 Uhr
Fr: 8:30 bis 13 Uhr
Tel.: 0711 4909-6321
E-Mail: beratungsstelle@lmz-bw.de

Weiterführende Beratungs- und Anlaufstellen

Fachberatungsstellen

Auf der Website der Landeskoordinierung spezialisierter Fachberatung bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend finden Sie einen bundeslandweiten Überblick über jeweilige Fachberatungsstellen.

Fachberatungsstelle finden

JUUUPORT e.V.

Beim Verein JUUUPORT e.V. bieten jugendliche Berater/-innen Unterstützung bei Anliegen rund um die Themen Cybermobbing und Cybergrooming.

Hilfe zu Cybermobbing und Cybergrooming erhalten

Nummer gegen Kummer

Die Nummer gegen Kummer bietet Eltern, Kindern und Fachkräften eine erste Anlaufstelle und dient als anonymer Ansprechpartner bei Fragen, Sorgen und Problemen jeglicher Art.

Ansprechpartner für Sorge und Probleme finden

loveline.de

Das Jugendportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet eine Informations- und Kommunikationsplattform für Jugendliche an, unter andern zu den Themen Liebe, Sexualität und Verhütung.

Infos über Liebe und Sexualität erhalten

Schulpsychologischen Beratungsstellen

Die Schulpsychologischen Beratungsstellen an 28 Standorten in Baden-Württemberg beraten Schüler/-innen, Erziehungsberechtigte, Lehrkräfte und Schulleitungen kostenfrei und vertraulich zu pädagogisch-psychologischen Fragen, Problemen und Herausforderungen in der Lebenswelt Schule. Ratsuchenden steht der direkte Kontakt ohne vorgeschaltete Klärung offen.

Pädagogisch-psychologischen Rat erhalten

Hilfe bei sexuellem (Kindes-)Missbrauch

Auf der Seite der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und dem Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch finden Sie zahlreiche Informationen zu Schutz- und Hilfeangeboten sowie zu Prävention und Forschung.

Zur Seite der Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs

Zum Hilfe-Portal sexueller Missbrauch

Andrea Zeisberg & Carolin Arning

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