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Unsicherheit als zentraler Faktor

Unsicherheit und Ungewissheit stellen Umstände dar, die den Glauben an Verschwörungstheorien begünstigen. Sie liefern Erklärungen für gesellschaftliche Probleme und sind daher besonders attraktiv, wenn offizielle Erklärungen fehlen oder als unbefriedigend erachtet werden. Gerade Ereignisse, die zu Ungewissheit und Unbehagen führen, führen deswegen häufig zum Entstehen von Verschwörungstheorien. Dies kann zum Beispiel der plötzliche Tod einer/-s Prominenten oder ein Terroranschlag sein. Insbesondere florieren Verschwörungstheorien seit jeher in Krisenzeiten, da hier die Unsicherheit besonders groß ist und offizielle Stellen nicht immer eindeutige Antworten bieten können.

Dies lässt sich auch in der aktuellen Corona-Pandemie erkennen, die zum Beispiel hinsichtlich ihrer Dauer und Auswirkungen von einem hohen Maß an Ungewissheit geprägt ist. Einige Menschen nehmen zudem die wissenschaftliche Erklärung für den Ursprung der Pandemie – das zufällige Überspringen des Virus vom Tier auf den Menschen – als unbefriedigend wahr. Hingegen sind die Verschwörungstheorien, die sich um das Coronavirus ranken, wesentlich spektakulärer. Sie behaupten, das Virus stamme aus dem Labor und werde mit Absicht verbreitet. Oder aber sie erklären das Virus für ungefährlich und einen großen Schwindel, der von finsteren Plänen ablenken solle. Verschwörungstheorien bieten also nicht nur Schuldige für Krisen und damit verbundene Entbehrungen, sondern können auch die Aufhebung einschränkender Maßnahmen zur Krisenbewältigung rechtfertigen.

 

Ein Mann lehnt an einem Treppenabsatz.

FG Trade via Getty Images

Demografische Merkmale

Der Glaube an Verschwörungstheorien hängt mit einer Reihe demografischer Merkmale zusammen. Beispielsweise ist er häufiger bei Männern vorzufinden als bei Frauen. Auch Personen, die über niedrige Bildungsabschlüsse und ein unterdurchschnittliches Einkommen verfügen, tendieren eher dazu, an Verschwörungstheorien zu glauben als der Durchschnitt. Ebenso verhält es sich mit Menschen, die arbeitslos sind oder einer gesellschaftlichen Minderheit angehören.  

Allerdings sind all diese Zusammenhänge eher schwach ausgeprägt, sodass man hier nicht von einem dominanten Muster sprechen kann. Zudem zeigen Studien, dass es sich beim Verschwörungsglauben kaum um ein Nischenphänomen handelt, sondern dieser in allen gesellschaftlichen Schichten und Milieus vorkommt. So kamen repräsentative Befragungen wiederholt zu dem Ergebnis, dass bei rund 30 Prozent der deutschen Bevölkerung eine Tendenz zum Verschwörungsdenken besteht. Interessant ist, dass eine von der Konrad-Adenauer-Stiftung im Sommer 2020 durchgeführte repräsentative Befragung einen leichten Rückgang dieser Tendenz um sechs Prozentpunkte feststellte.

Bunte Menschenmenge ist von oben zu sehen.

Vera Petrunina via Getty Images

Persönlichkeitsmerkmale

Aus psychologischer Sicht liegt dem Glauben an Verschwörungstheorien die Tendenz zugrunde, eine Proportionalität zwischen einem Ereignis und seiner Ursache anzunehmen. Hinter Ereignissen von großer Tragweite werden demnach schwerwiegende Ursachen vermutet. Darüber hinaus hängt der Glaube an Verschwörungstheorien mit dem individuellen Bedürfnis nach Einzigartigkeit zusammen. Glaubt eine Person an Verschwörungstheorien, so verfügt sie über Wissen, das andere nicht haben, und grenzt sich dadurch von der Masse ab. Der Glaube an Verschwörungstheorien kann so dazu beitragen, ein positives Selbstbild zu wahren.

Ob eine Person an Verschwörungstheorien glaubt, hängt auch mit ihrer politischen Einstellung zusammen. Grundsätzlich glauben Menschen eher an bestimmte Verschwörungstheorien, wenn sie mit ihren bereits vorhandenen Überzeugungen in Einklang stehen. An den Rändern des ideologischen Spektrums ist der Glaube an Verschwörungstheorien davon abgesehen stärker verbreitet als im Bevölkerungsdurchschnitt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Linke und Rechte gleichermaßen anfällig für Verschwörungstheorien sind. Studien zeigen, dass der Verschwörungsglaube in Deutschland und anderen Ländern am rechten Rand stärker ausgeprägt ist als am linken Rand. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass Menschen mit extrem rechter Gesinnung im Allgemeinen sensibler gegenüber äußeren Bedrohungen sind. 

Passfoto einer Frau vor dem Hintergrund einer Collage aus vielen Passfotos.

filadendron via Getty Images

Folgen

Verschwörungstheorien schüren Misstrauen in gesellschaftliche Institutionen, wie zum Beispiel politische Organe, wissenschaftliche Forschungseinrichtungen oder Medien. Der Glaube an Verschwörungstheorien kann daher Auswirkungen auf die politische Aktivität, das Informationsverhalten und die Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse haben. Studien in Großbritannien und den USA zeigen beispielsweise, dass Verschwörungstheoretiker/-innen weniger bereit sind, ihren CO2-Fußabdruck zu verringern, ihre Kinder impfen zu lassen oder Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu befolgen als Menschen, die nicht an Verschwörungstheorien glauben.

Auch können Verschwörungstheorien gesellschaftliche Diskurse verhindern. Denn Informationen, die einer Verschwörungstheorie widersprechen, können pauschal als Manipulationsversuche seitens der vermeintlichen Verschwörer/-innen abgelehnt werden. Da Verschwörungstheoretiker/-innen ihren politischen Gegnerinnen und Gegnern geheime bösartige Absichten unterstellen oder alle gesellschaftlichen Prozesse nur für eine inszenierte Show halten, sehen sie wenig Sinn darin, sich in demokratischen Prozessen einzubringen.

Stattdessen lassen Verschwörungstheorien darauf schließen, dass radikalere Maßnahmen notwendig seien. Zwar werden Menschen durch den Glauben an Verschwörungstheorien nicht automatisch zu Gewalttäterinnen oder Gewalttätern. Tendenziell nimmt mit diesem jedoch die Bereitschaft zu, politische Ziele mit illegalen Mitteln zu verfolgen. Verschwörungstheorien bilden daher ein typisches Element im Gedankengut extremistischer Gruppen. Auch finden sich in der Geschichte zahlreiche Beispiele dafür, wie Verschwörungstheorien den Nährboden für Pogrome und Terrorattacken bereiteten, indem sie die Gewalt gegenüber den vermeintlichen Verschwörerinnen und Verschwörern als Notwehr legitimierten. So veröffentlichten etwa die Attentäter von Hanau und Halle im Internet Manifeste, in denen sie ihr verschwörungstheoretisches Weltbild offenbarten, das die Grundlage für ihr Morden bildete.

Ein Mann hält eine OP-Maske zwischen Daumen und Zeigefinger.

skynesher via Getty Images

Quellen

Tilman Klawier, Institut für Kommunikationswissenschaft, Universität Hohenheim

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