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Studie Cyberlife IV: Cybermobbing – Dauerproblem an Schulen

Ulrike Boscher
Cybermobbing: Mädchen schaut traurig auf ihr Handy. Im Hintergrund lästern und lachen Schülerinnen über sie.

Psychische Belastungen durch Cybermobbing in der Schule. | Solstock/E-plus via GettyImages

Lehrkräfte fordern mehr Unterstützung

Beleidigen, Bloßstellen und Ausgrenzen. Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen bleibt ein unterschätztes gesellschaftliches Problem. Corona sorgte für den Push. Seither stagnieren die Cybermobbing-Fälle zwar, bleiben aber auf hohem Niveau. „Beinahe jede fünfte Schülerin bzw. jeder fünfte Schüler (16,7 Prozent) zwischen acht und 21 Jahren wurde bereits Opfer von Cybermobbing.“ Das ergab eine bundesweite Online-Befragung unter 3011 Schülerinnen und Schülern, 1053 Eltern und 355 Lehrkräften, die 2022 durchgeführt wurde. In der Studie „Cyberlife IV - Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern" vom Bündnis gegen Cybermobbing e.V. und der Techniker Krankenkasse kommen die Autoren zu dem Schluss: Hochgerechnet könnten 1,8 Millionen Jugendliche betroffen sein.

„Weil sie es verdient hat“
Warum begehen Kinder und Jugendliche Cybermobbing? Was macht sie zu Tätern? Bei der Befragung gaben 20,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler an, bereits selbst einmal andere gemobbt, gehänselt, beleidigt oder fertig gemacht zu haben und sechs Prozent bezichtigten sich des Cybermobbings (vgl. Cyberlife IV, Seite 113). Auf die Frage des „Warum?“ antworteten 57 Prozent mit „Weil die Person es verdient hat!“ Persönliche Konflikte und Selbstjustiz sind ebenfalls häufige Motive oder man macht es eben „einfach nur zum Spaß“ (vgl. Kurzfassung Cyberlife IV, Seite 16.).

Cybermobbing belastet die Psyche

Die Psychologin Hendrikje Schmidt von krisenchat.de berät Jugendliche, die Opfer von Cybermobbing geworden sind. Wenn die Betroffenen sich bei ihr melden, sind sie oft wütend, fühlen sich verletzt, beschämt und ohnmächtig. „Könnte man das Problem nur einfach in der Schule lassen und nach Hause gehen“, berichten dann einige. Doch mit dem Handy in der Tasche, trägt man den „Ballast“ weiter mit sich herum. Wenn Beschimpfungen, Ausgrenzungen, Gerüchte und Lügen über das Internet immer größere Kreise ziehen oder peinliche Bilder über Chats geteilt werden, kann das die Psyche schwer belasten. Das spüren dann meist nicht nur Eltern zuhause, sondern auch Lehrkräfte im Unterricht.

48 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer kamen an ihrer Schule mit Cybermobbing-Fällen in Berührung und nahmen entsprechende Verhaltensänderungen wahr: 64 Prozent der betroffenen Schülerinnen und Schüler zeigten Niedergeschlagenheit, Leistungsabfall in der Schule (49 Prozent) und häufiges Fernbleiben im Unterricht (47 Prozent). Über 80 Prozent litten an Angstzuständen, Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, Magen- und Kopfschmerzen.

Besonders alarmierend: Jede/r vierte Betroffene/r hatte schon einmal suizidale Gedanken. Jede/r Sechste griff deswegen schon einmal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen und ein weiteres Drittel fühlte sich dauerhaft belastet (vgl. Kurzfassung „Cyberlife IV. Präsentation der Studienergebnisse vom 12.10.2022,“ Seite 10-17).

Cybermobbing-Attacken gibt es in allen Schulformen, signifikant am stärksten betroffen sind Haupt- und Werkrealschulen, an Berufsschulen und Grundschulen wurden die wenigsten Fälle verzeichnet.

Was wünschen sich Lehrkräfte im Umgang mit Cybermobbing?

Aus vorangegangen Studien der Jahre 2013, 2017 und 2020 weiß man bei Betrachtung der vierten Studie heute, Cybermobbing ist ein ernstes Problem, das sich verfestigt hat. Obwohl sich an den Schulen viel getan hat und Mobbingfälle fast immer disziplinarische Konsequenzen haben, gibt es nach wie vor großen Bedarf hinsichtlich Information und Prävention.

Eltern fühlen sich überfordert und Lehrkräfte schlecht geschult. Nahezu alle befragten Lehrerinnen und Lehrer wissen zwar, was Cybermobbing bedeutet, die wenigsten fühlen sich jedoch in der Lage, im Krisenfall mit der richtigen Strategie weiterhelfen zu können.

Erschwerend kommt hinzu, dass Schulungen zu Cybermobbing seit 2020 um 40 Prozent zurückgegangen sind. Laut der Studie wünschen sich Lehrkräfte deswegen mehr Hilfsangebote im Bereich der „Medienarbeit und der Medienkompetenz“ und „Cybermobbing“ (vgl. Cyberlife IV, Seite 78). Am häufigsten wurden folgende Angebote genannt:

  • Gutes Unterrichtsmaterial oder Module zum Thema (82 Prozent)
  • Mehr Lehrerfortbildungen zu Cybermobbing (72 Prozent)
  • Hilfe und Beratung oder Coaching von außen (71 Prozent)
  • Fach „Medienerziehung“ in allen Schulen obligatorisch (68 Prozent)
  • Medienbeauftragte an Schulen.

Besonders wichtig finden Lehrkräfte folgende Maßnahmen bei der Prävention gegen Cybermobbing (vgl. Cyberlife IV, Seite 80):

  • Anti-Gewalttrainings und Mobbing-Prävention (81 Prozent)
  • Hilfe- und Beratungsstellen im schulischen Umfeld oder andere Einrichtungen (78 Prozent)
  • Fortbildungen an Schulen und anderen Bildungsstätten (78 Prozent)
  • Mehr Unterstützung vom Staat durch gesetzliche Regelungen mit einem Cybermobbing-Gesetz (68 Prozent)

Studie zum Download

Bündnis gegen Cybermobbing (e.V.) und Techniker Krankenkasse (e.V.): Studie: Cyberlife IV - Spannungsfeld zwischen Faszination und Gefahr. Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern. Oktober 2022. PDF (5,6 MB).

Studie „Cyberlife IV" (Oktober 2022). PDF

Ulrike Boscher

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