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„Shoppe wie ein Milliardär“ – Was Eltern über Temu wissen sollten

Madeleine Hankele-Gauß
Zwei Teenager-Mädchen in pastellfarbenen Hoodies und mit Einkaufstüten beladen schauen lachend auf ein Smartphone.

Allgegenwärtig auf Social Media und im Netz: Der Online-Marktplatz Temu lockt mit günstigen Preisen, Rabattcodes und Geschenken neue Nutzer/-innen an. | Foto: insta_photos/iStock/Getty Images Plus via Getty Images

Online-Marktplatz Temu lockt mit Kampfpreisen und Social-Media-Werbung

„Shoppe wie ein Milliardär“: Unter diesem Slogan wirbt der Online-Marktplatz Temu seit April 2023 auch in Deutschland aggressiv für die dort angebotenen chinesischen Produkte. Von der Trinkflasche für 1,74 Euro über die Herren-Sneaker für 12,05 Euro bis hin zur Drohne für 23,98 Euro ist alles dabei, was das Käuferherz begehrt. Was allen Produkten gemeinsam ist: ihre niedrigen Kampfpreise inklusive gratis Versand und Retoure. Das stellt sogar Amazon und eBay in den Schatten.

Nicht nur schaffte es die zugehörige Temu-App damit, im Jahr 2023 die erfolgreichste kostenlose iPhone-App zu werden. Auf Social Media sind Temu-Werbeanzeigen aktuell überall zu finden, sodass auch Kinder und Jugendliche auf die scheinbaren Schnäppchen aufmerksam werden. Was sollten Eltern über den Online-Marktplatz wissen?

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So kommen die günstigen Preise zustande

Wer zum ersten Mal auf dem Online-Markplatz Temu stöbert, wundert sich vor allem über eines: die unfassbar günstigen Preise. Sie kommen dadurch zustande, dass Temu hauptsächlich No-Name-Produkte chinesischer Hersteller anbietet – und dabei gänzlich auf europäische Lager und Zwischenhändler verzichtet. Das spart Kosten, führt aber auch zu langen Lieferzeiten per Flugzeug und ist wenig nachhaltig.

Temus Hauptattraktion sind jedoch seine Rabatte und Geschenkaktionen. Diese kann sich das 2022 in Boston gegründete Unternehmen nur leisten, weil es eine finanzschwere Muttergesellschaft im Rücken hat: das chinesische E-Commerce-Unternehmen PDD Holdings mit Hauptsitz in Irland. Nur so kann Temu jährlich zwei bis drei Milliarden US-Dollar in Marketing und Werbung stecken und um jeden Preis neue westliche Absatzmärkte erschließen.

Dark Patterns verleiten zu schnellen und unüberlegten Käufen

„Kinder und Jugendliche werden hauptsächlich über YouTube und TikTok auf Temu aufmerksam, weniger über Instagram. Einige auch über ihre Eltern, die die App bereits heruntergeladen haben“, erklärt Eva-Maria Weiler, langjährige medienpädagogische Referentin am LMZ. Mit „aggressiver und unglaublich vielfältiger Werbung“ dränge Temu seit 2023 auf den europäischen Markt. Dazu zählen personalisierte Produktanzeigen auf sozialen Netzwerken sowie Rabattcodes und Einladungslinks, für deren Weiterleitung an Freunde und Familie man mit weiteren Rabatten belohnt wird.

Schafft Temu es auf diese Weise, Kinder und Jugendliche auf die zugehörige App zu locken, wartet dort ein bunter, blinkender und völlig überladener Online-Shop auf sie. Countdowns für Rabattangebote zählen herunter. Bunte Geschenkboxen ploppen auf. Aktivitätsmeldungen anderer Käufer/-innen werden eingeblendet. Integrierte Spiele wie „Fische füttern“ belohnen erfolgreiche Spieler/-innen mit Geschenken oder Rabatten.

All diese App-Elemente haben letztlich ein Ziel: Nutzer/-innen zum schnellen und unüberlegten Kaufen zu manipulieren. Man spricht hierbei von „Dark Patterns“. Das sind psychologische Mechanismen, die im Design einer Website oder App eingesetzt werden, um User/-innen zu bestimmten Verhaltensweisen zu verleiten. Auch die permanente Reizüberflutung durch grafische Elemente gehört bei Temu zum System. Nutzer/-innen geraten dabei so unter Stress, dass kritisches Denken überlagert wird, wie eine ZDF-Reportage zum Thema nachwies.

Vorsicht bei Elektrogeräten und Spielwaren

Wer sich von Temu zum schnellen Kaufen verleiten lässt, erhält zwar meist ein neues und auf den ersten Blick funktionstüchtiges Produkt. Doch gerade bei Elektrogeräten und Spielwaren ist Vorsicht geboten:

  • Das in der EU verpflichtende CE-Zeichen ist auf den Produkten häufig gar nicht vorhanden oder es handelt sich um eine Fälschung. Durch die mangelnde Prüfung bleibt unklar, ob Waren die EU-weit verpflichtenden sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllen.
  • Für Temu-Käufer/-innen kann das teuer werden: Da es keine Zwischenhändler in Europa gibt, sind sie als Käufer/-innen gleichzeitig die Importeure der Waren. Als solche haften sie im Extremfall für mögliche Schäden, wie z.B. einen Hausbrand durch ein Haushaltsgerät ohne CE-Zeichen.
  • Durch den Direktkauf in China wird die Herstellerhaftung ausgehebelt. Temu als Online-Marktplatz schließt eine Haftung in seinen Nutzungsbedingungen ebenfalls explizit aus (siehe Absatz 8.4).

Laut Medienpädagogin Weiler ist das tückisch. Viele Eltern verließen sich darauf, dass in Deutschland verkaufte Produkte den deutschen oder europäischen Produktstandards und Gesetzen unterlägen. „Sie übersehen, dass Temu ein reiner Online-Marktplatz ist – ohne Lager und Zwischenhändler in der EU.“

App-Berechtigungen bieten Potenzial für Datenmissbrauch

Doch nicht nur im Hinblick auf Produktsicherheit sollten Temu-Käufer/-innen die Augen offenhalten, sondern auch in puncto Datensicherheit. Insbesondere die Temu-App holt bei der Installation viele Berechtigungen ein, über die andere vergleichbare Apps nicht verfügen. Drei Berechtigungen, die laut ZDF-Recherchen im Quellcode nachgewiesen werden können, stechen besonders hervor:

  • Feststellen des genauen Standorts
  • Unbemerktes Nachladen und Installieren weiterer Apps
  • Unbemerktes Anfertigen von Screenshots

Ein Potenzial für Datenmissbrauch ist also gegeben. Für Temu gilt also einmal mehr, was die medienpädagogische Referentin Eva-Maria Weiler allen Eltern im Zusammenhang mit neuen Apps oder sozialen Netzwerken rät: „Wenn etwas neu ist, dann muss ich genau hinschauen und auch mal AGBs lesen. Egal, um was es geht.“

Alles Wissenswerte über den Online-Markplatz finden Eltern zusammengefasst auf unserem Handout.

Madeleine Hankele-Gauß

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