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OECD-Studie: Die beliebtesten Berufswünsche von Teenagern

Ulrike Boscher
Junge Frau am Flipchart

Was möchte ich werden? Viele Mädchen in Deutschland möchten Lehrerin werden. | GettyImages/ SeventyFour

Berufswünsche von Teenagern orientieren sich zu wenig am 21. Jahrhundert

Viele Jugendliche kennen die Situation in ihrem Leben. Der Schulabschluss rückt immer näher und noch gibt es keinen konkreten Plan, wie es danach weitergehen soll. Eltern, Freunde und Verwandte fragen dann immer häufiger: „Und, weißt Du schon was Du später machen willst?“

Das wollte auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wissen. Sie nutzte die letzte PISA-Studie im Dezember und führte zeitgleich eine Sonderbefragung bei einer halben Million Jugendlichen im Alter von 15 Jahren durch. Dabei wurden Schülerinnen und Schüler (aus 41 Ländern) gefragt, in welchem Beruf sie sich gerne mit 30 Jahren sehen würden.

Im Zuge des digitalen Wandels waren Bildungsforscher fest davon ausgegangen, dass sich viele Jugendliche mit Trendberufen der Zukunft beschäftigen würden, aber das Gegenteil war der Fall. Überraschenderweise nannten die Befragten kaum neue Berufsfelder des 21. Jahrhunderts (wie etwa Spezialisten für Maschinelles Lernen, Robotik und Spracherkennung). Die Mehrzahl der Befragten orientierten sich an Berufen, die es schon lange gibt und die nicht unbedingt unter dem starken Einfluss der Digitalisierung stehen. Vor allem die Mädchen träumen von Berufen, in denen sie vor allem direkten Umgang mit Menschen haben. Ganz vorne steht dabei der Beruf als Lehrerin!

 

Mädchen wollen Lehrerin werden, Jungs Informatiker!

In Deutschland ist der Lehrerberuf bei Mädchen mit 10,4 Prozent am häufigsten gefragt. Dahinter folgen Ärztin (10 %) und Erzieherin (6,4 %) und Psychologin (4,5 %). Bei den Jungen nehmen IT-Spezialist, Industriemechaniker und Automechaniker die Plätze 1 bis 3 ein. Hier finden Sie die Top Ten der Berufswünsche:

 

Top-Ten: Die beliebtesten Berufe bei 15-jährigen Mädchen in Deutschland.

  1. Lehrerin    (10,4%)
  2. Ärztin    (10,0%)
  3. Erzieherin    (6,4%)
  4. Psychologin    (4,5%)
  5. Krankenschwester (4,5%)
  6. Architektin    (3,6%)
  7. Polizistin    (3,5%)
  8. Büroangestellte    (3,2%)
  9. Designerin    (2,8%)
  10. Juristin    (2,7%)

Top-Ten: Die beliebtesten Berufe bei 15-jährigen Jungen in Deutschland.

  1. Informatiker    (6,7%)
  2. Maschinenbauer    (5,2%)
  3. Kfz-Mechatroniker    (5,1%)
  4. Polizist    (4,5%)
  5. Lehrer    (3,8%)
  6. Wissenschaftler  (3,6%)
  7. Arzt    (3,1%)
  8. Ingenieur    (3,1%)
  9. Architekt    (2,8%)
  10. Profisportler    (2,6%)

Quelle: OECD, Pisa-Studie 2018, veröffentlicht in DER SPIEGEL

Jugendlicher am PC

Oft genannte Berufswünsche bei männlichen Jugendlichen: IT-Spezialist, Industrie- oder Automechaniker. | GettyImages/ alvarez

"Man kann nicht werden was man nicht kennt"

Der Bildungsdirektor der OECD Andreas Schleicher sieht diese Entwicklung etwas besorgniserregend: Im Zeitalter sozialer Medien und künstlicher Intelligenz interessieren sich Schülerinnen und Schüler kaum für neue Berufe des 21. Jahrhunderts, sondern halten eher an etablierten Berufen fest. Dabei könnten 45 Prozent der traditionellen Berufe in den nächsten 10 bis 15 Jahren durch Automatisierung wegfallen, so der OECD-Bericht. „Es besteht die große Gefahr, dass wir unsere Jugendlichen für unsere Vergangenheit und nicht für die Zukunft bilden“, gab Schleicher in einem Interview mit dem SWR zu bedenken.

Ganz so dramatisch sieht es der Präsident des deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger nicht, denn gerade bei Lehrkräften und Ärzten herrsche bekanntlich Nachwuchsmangel. Und auch Psychologen und Krankenschwestern sind nach wie vor sehr gefragt. Das ist sicherlich richtig. Wahr ist aber auch, dass viele Jugendliche zu wenig neue Berufe kennen und auch zu wenig Informationen über Verdienstmöglichkeiten und Entwicklungsperspektiven haben, so der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks. Derzeit entstünden viele neue, zukunftsfähige Berufsfelder, die vielen Jugendlichen noch unbekannt sind.

Andreas Schleicher forderte deswegen eine bessere Berufsberatung in den Schulen. „Man kann nicht werden, was man nicht kennt.“
Berufsberatung alleine reicht in der Regel nicht aus, meint die Lehrerin Bianca Schich am Königin-Katharina-Stift-Gymnasium in Stuttgart. Ihrer Ansicht nach bräuchten die Schülerinnen und Schüler Vorbilder, also Personen, die von ihrem Beruf berichten können und neue Berufsfelder erlebbar machen. In der Praxis kennen sie in der Regel keine Personen mit der Berufsbezeichnung Machine Learning Engineer, Computer Vision Engineer oder Algorithm Developer. Oft hätten Eltern Vorbildfunktion bei der Berufswahl. Wenn Eltern zum Beispiel als Ärzte oder Rechtsanwälte praktizieren, dann tendieren die Kinder häufig auch zur gleichen Ausbildung.

 

Was passt zu mir? Das Selbsterkundungstool der Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat auf die jüngsten Ergebnisse reagiert und ein Selbsterkundungstool entwickelt. Mit diesem Online-Tool können Schülerinnen und Schüler ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und ihre beruflichen Vorlieben entdecken. Das Tool soll bei der Berufswahl helfen, indem es Studienfelder oder Ausbildungsberufe ermittelt, die zu einem passen. Außerdem bietet es weitere Informationen zu den Berufen, der Vergütung und den Ausbildungswegen.

Nach Angaben der BA gibt es derzeit 326 Ausbildungsberufe, allerdings bleiben die Berufe des 21. Jahrhunderts auch in diesem Tool noch überschaubar.

Selbsterkundungstool: Welcher Beruf passt zu mir?

Studie der OECD: Berufswünsche unter Jugendlichen (Original)

OECD-Beschäftigungsausblick 2019: Die Zukunft der Arbeit

Ulrike Boscher

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