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Die Medienpädagogische Beratungsstelle des LMZ

Anja Stein
Mira Wunderlich und Michael Wanninger in einer Videokonferenz

Mira Wunderlich & Michael Wanninger sind langjährige Mitarbeitende der Medienpädagogischen Beratungsstelle am LMZ

„Hier darf auch mal geweint werden”

Eltern, die nicht weiterwissen, weil die Kinder nur noch zocken. Schulsozialarbeiter, die einen hackenden Viertklässler stoppen müssen. Lehrkräfte, die plötzlich nur noch digital unterrichten sollen und kreative Impulse suchen.

Die Medienpädagogische Beratungsstelle des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg (LMZ) ist Anlaufstelle für Eltern, Lehrkräfte und pädagogisches Fachpersonal bei Fragen rund um den Jugendmedienschutz. Ein einzigartiges Angebot, das über die baden-württembergischen Grenzen hinaus genutzt und geschätzt wird.

Michael Wanninger und Mira Wunderlich sind langjährige Mitarbeitende mit viel Erfahrung und Knowhow. Michael Wanninger studierte Soziale Arbeit, ist Vater von zwei Söhnen und hat sich besonders dem Thema digitale Spiele verschrieben. Mira Wunderlich hat vor ihrer Tätigkeit am LMZ als Medienpädagogin in der Kulturwerkstatt Reutlingen und bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) gearbeitet.

Im Gespräch mit den beiden spürt man schnell, dass sie jede eingehende Anfrage ernst nehmen und mit viel Feingefühl bearbeiten, sei sie auch noch so kurios:

Mira Wunderlich: „Mir fällt spontan mein allererster Beratungsanruf ein: Das Telefon klingelte und dran war jemand, der gerne alte Musikinstrumente dokumentieren wollte. Er hatte ein Faible für alte Instrumente aus dem Mittelalter und wollte die abfilmen oder fotografisch darstellen. Er fragte nach Tipps zur technischen Umsetzung. Ich dachte dann ’OK, ich hab mir was anderes unter diesem Job vorgestellt’ und hab versucht, bestmöglich zu helfen. Er hat sich ganz herzlich bedankt und war dann wohl zufrieden.“

Michael Wanninger erinnert sich besonders gut an einen Fall aus der Grundschule:

Michael Wanninger: „Das war eine Anfrage von einer Schule, die Probleme mit einem Schüler hatte, der hacken konnte. Er hatte entdeckt, dass es bei der Schulcloud Benutzerprofile für jeden Schüler und jede Schülerin gibt, und ist da bis in die tiefsten Tiefen vorgedrungen. An der Schule wurde man natürlich nervös. Eigentlich wäre ja die Anforderung an die Schule, das System sicher zu gestalten, und man hoffte dann, dass wir als LMZ die Situation retten könnten. Spannend ist die Empfehlung, die man geben muss: Natürlich empfehlen wir, das System sicher zu gestalten und auf der anderen Seite könnte man den Schüler auch fördern. Zum Beispiel mit der Teilnahme an Hackathons. Auf ethischer Ebene sollte man ihm natürlich beibringen, dass er nicht alles anwenden sollte, was er kann, weil er damit andere Leute gefährden könnte. Wir sehen als Medienpädagogen das riesige Talent, dem man aber die Grenzen aufzeigen muss. Und die Schule sieht natürlich erstmal das Problem und kann nicht sagen „wir wollen den jetzt fördern, der hat gerade unser Netz gehackt, das ist ein Riesentalent.“

„Teilweise hatte ich das Gefühl, dass Eltern so viele Probleme während des Homeschoolings hatten, dass sie gar nicht mehr dazu kamen, bei uns anzurufen“

Nun spielt die Digitalisierung während der Corona-Krise eine ganz besondere Rolle. Damit stehen auch medienpädagogische Fragen stark im Vordergrund. Welche Fragen kamen denn während der Homeschooling-Phasen bei der Beratungsstelle an?

Wunderlich: „Am Anfang hatten viele Lehrkräfte mit Störer-Fällen zu kämpfen. Da sind Unbefugte in die Videokonferenz reingeplatzt und haben irgendwie Krawall gemacht. Aber das wurde dann relativ schnell weniger, weil alle mit der Zeit geschult und entsprechend fitter wurden. Von Elternseite aus ging es eher Richtung Mediennutzung: Mein Kind nutzt neben dem Homeschooling TikTok usw. Was kann ich dagegen tun?“

Was war dann Ihre Empfehlung?

Wanninger: „Wichtig ist es, die Eltern zu bestärken, dass sie wiederum ihre Kinder unterstützen, sich selbst zu regulieren. Sie müssen ihnen zutrauen, die Situation als so wichtig einzustufen, dass sie nicht nebenbei ausscheren. Das muss man schließlich für das ganze Leben lernen: Im Homeoffice kann man auch nebenbei surfen oder eben seine Arbeit machen. Man muss lernen, zu priorisieren.“

Wunderlich: „Als letzte Konsequenz, wenn gar nichts geht, die Noten schlechter werden, die Lehrer nur noch verärgert sind, kann man mit technischen Mitteln, wie White- und Blacklists arbeiten. Das sollte aber eher die Konsequenz sein, wenn es auf Vertrauensbasis nicht klappt.“

Wanninger: „Teilweise hatte ich das Gefühl, dass Eltern so viele Probleme während des Homeschoolings hatten, dass sie gar nicht mehr dazu kamen, bei uns anzurufen. Man ist ja froh, wenn man irgendwie seinen Job hinkriegt, die Kinder versorgt sind und sich dann noch beraten zu lassen, wie man es vielleicht besser machen könnte, fällt fast per se weg. Das ging dann Schubweise: Wir hatten ein paar Wochen richtig viel zu tun, wenn es wieder in den Präsenzunterricht ging und Eltern wieder entlastet wurden. Bei den Lehrkräften war es übrigens ähnlich.“

Digitaler Unterricht - Unterstützung für Lehrkräfte

Welche Fragen kamen denn von Lehrkräften während der Phasen des rein digitalen Unterrichtens?

Wunderlich: „Anfangs kamen nur Fragen nach Online-Tools: Was darf man denn jetzt nutzen, Teams oder Jitsi Meet? Was ist in der Schule erlaubt, was erlaubt das Kultusministerium? Was ist Datenschutz-konform? Im Laufe der Zeit kamen mehr methodisch-didaktische Fragen. Das ging von ‘Wie werde ich jetzt so schnell digital?’ bis zu ‘Ich BIN digital. Wie kann ich jetzt einen guten Unterricht gestalten?’.”

Was konnten Sie für die digitale Unterrichtsgestaltung empfehlen?

Wanninger: „Die SESAM-Mediathek auf jeden Fall. Früher musstest du in dein Kreismedienzentrum gehen und eine DVD ausleihen, jetzt geht das alles online. Das sind geprüfte Medien, extra für Schulen aufbereitet. Das war für Baden-Württemberg schon eine große Erleichterung und ein Zugewinn für den Unterricht, denke ich. Für den Grundschulbereich ist die Anton-App wirklich gut. Die kann man auch als Schulheft-Ersatz benutzen oder als -Ergänzung. Das ist zumindest eine Abwechslung, denn man hat in der Homeschooling-Zeit einfach tausende Arbeitsblätter bekommen.“

Wunderlich: „Ich habe meistens in die Richtung abgezielt, dass Lehrkräfte kreativ arbeiten können. Zum Beispiel mit Book Creator oder einem Umfrage-Tool, wie wir das mit minnit‘ anbieten.“

„Wir sind einfach da, hören zu, sprechen Mut zu, fangen vielleicht auch ein bisschen was ab und gucken dann, dass es an passender Stelle weitergeht.“

Die Beratungsstelle gibt häufig Hilfestellung, wenn es um die Gestaltung von Unterricht oder Tipps zur Medienerziehung geht. Kommt es bei der Medienpädagogischen Beratungsstelle auch zu „Notrufen“, also Anfragen aus einer akuten, schwierigen Situation heraus? Zum Beispiel „Cybermobbing“-Fälle oder Ähnliches.

Wunderlich: „Es kommt schon vor, dass Eltern anrufen, die gerade erfahren haben, dass ihr Kind massiv gemobbt wird. Eine Mutter hatte gewalthaltige Videos auf dem Handy ihres Sohnes gesehen. Die war völlig aufgelöst. Es melden sich immer wieder Eltern, die gerade etwas Verstörendes über die Mediennutzung ihrer Kinder erfahren haben und akut in einer Krise sind. Da hatte ich auch schon gelegentlich eine weinende Mutter am Apparat.”

Wanninger: „Ich hatte schon häufiger Anfragen von Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern zu Sexting und Cybermobbing. Wenn sich Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter melden, hat das den Vorteil, dass sie in direktem Kontakt mit den Betroffenen stehen und dann auch noch mehr machen können als wir in einem Telefonat. Da kann man eine Art System ausbilden für viele Probleme. Wenn es wirklich Notfälle sind, sind wir am Telefon doch eingeschränkt. Wir können viele Tipps geben, wir können auch Analysen machen, die zeigen, wo man vielleicht ansetzen könnte. Da geht es dann aber meistens um Fälle, die man über Monate begleiten muss. Es gibt Stellen, die auf diese Art Interventionen ausgelegt sind und an die die Beratungsstelle des LMZ dann weiterleiten kann.”

Wunderlich: „Ich glaube, es ist einfach nochmal wichtig zu sagen, dass wir die erste Anlaufstelle sind. Wir sind einfach da. Hören zu, sprechen Mut zu, fangen vielleicht auch ein bisschen was ab und gucken dann, dass es an passender Stelle weitergeht.”

„Unser Thema ist der Jugendmedienschutz.“

Mit welchen Fragen ist man bei der Medienpädagogischen Beratungsstelle richtig?

Wanninger: „Unser Thema ist der Jugendmedienschutz. Das machen wir für Eltern als Beratung im Einzelfall und geben Tipps zu Fragen wie „Wann führe ich das Handy ein?“ oder Ähnlichem. Und Lehrkräfte unterstützen wir sozusagen darin, Jugendmedienschutz im Unterricht einzubauen, aber natürlich auch bei Problemen. Das Landesmedienzentrum bietet für alle Zielgruppen – also für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern – Veranstaltungen in Form von Workshops oder Weiterbildungen an. Und dazu beraten wir ebenfalls. Wir versuchen wirklich, individuelle, persönliche Beratung für jeden zu machen, und uns dafür Zeit zu nehmen.”

Wunderlich: „Alles, was mit Medienpädagogik zu tun hat, ist bei uns richtig. Da darf man uns gerne anrufen, auch wenn man gerade in einer Krisensituation steckt. Alles, was eher technischer Support ist, gehört weniger in unseren Aufgabenbereich. Dafür haben wir zum Teil andere Hotlines am LMZ. Und wenn jemand sein Passwort vergessen hat, können wir leider auch nicht weiterhelfen [Anm. d. Red.: lacht].”

Solche Anfragen gibt es also auch?

Wunderlich: „Ja, die gibt es tatsächlich.”

Wanninger: „Du gehst halt an dieses Telefon und Du weißt nicht, was jetzt kommt.”

Und wenn es etwas ist, das Mira Wunderlich und Michael Wanninger nicht beantworten können, dann kann eventuell bei einer der anderen Anlaufstellen des LMZ weitergeholfen werden.

Liebe Frau Wunderlich, lieber Herr Wanninger, vielen Dank für das Gespräch!

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Anja Stein

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