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Bundeskartellamt nimmt Smart-TVs unter die Lupe

Wenn Menschen sich die Zeit vertreiben wollen, neigen sie dazu, den Fernseher einzuschalten. Denn das Fernsehen schafft es wie kein zweites Medium, ein künstliches Gegenüber zu schaffen, das mit in unserem Wohnzimmer sitzt und uns die Illusion von Gesellschaft gibt. Doch wer tatsächlich in unser Wohnzimmer schaut, sind nicht Moderatoren und Schauspieler, sondern die Hersteller von Smart-TVs und die Betreiber der zugehörigen Dienste. In welchem Umfang Smart-TVs Nutzerdaten erheben und verarbeiten, hat das Bundeskartellamt in seinem Bericht „Sektoruntersuchung Smart-TVs“ vom Juli 2020 unter die Lupe genommen.

Was macht ein Fernsehgerät smart?

Smart-TVs sind Fernsehgeräte, die mit dem Internet verbunden sind und mit anderen internetfähigen Geräten wie Smartphones kommunizieren können. Sie gehören in die Kategorie der IoT-Geräte – Geräte des sogenannten „Internets der Dinge“ („Internet of Things“). Im Jahr 2019 nutzten 56 Prozent der Deutschen einen Smart-TV, womit Smart-TVs zu den am weitesten verbreiteten IoT-Geräten in Deutschland zählen.

Während herkömmliche Fernsehgeräte per Satellit, Kabel oder DVB-T Programme empfangen, empfängt ein Smart-TV zusätzlich Informationen über das Internet. Außerdem verfügt er über ein Betriebssystem, sodass Apps installiert werden können. Auf diese Weise kann ein Smart-TV beispielsweise aktuelle Informationen zum Fernsehprogramm abrufen, Sendungen vormerken und aufnehmen oder Videos aus Mediatheken und Video-Streaming-Portalen zeigen.

Datenschutz – Smart-TV als trojanisches Pferd

Im Rahmen der „Sektoruntersuchung Smart-TVs“ hat das Bundeskartellamt Geräte von insgesamt 21 Unternehmen untersucht, die im Jahr 2017 nahezu 100 Prozent des deutschen Absatzes in diesem Wirtschaftszweig ausmachten. Die Untersuchung zeigt: Was den Datenschutz angeht, kommt ein Smart-TV einem trojanischen Pferd gleich. Mithilfe des Geräts sammeln nicht nur der Hersteller, sondern zahlreiche weitere Akteure Daten. Dazu zählen HbbTV-Anbieter, Portalbetreiber, App-Store-Betreiber, Appanbieter sowie Betreiber von Empfehlungsdiensten. Mithilfe der Daten sollen möglichst genaue Nutzerprofile für personalisierte Angebote und Werbung entstehen.

Hersteller sammeln vor allem sogenannte Basisdaten, die es ermöglichen, einen Smart-TV eindeutig zu identifizieren. Darunter fallen etwa die Seriennummer, die MAC-Adresse oder der Gerätestandort. Problematisch ist hierbei, dass das Abfließen dieser Basisdaten in 80 Prozent der Fälle nicht oder nicht ohne Fachwissen eingeschränkt werden kann.

Während Hersteller nur in Einzelfällen Daten über das TV-Nutzungsverhalten ihrer Kunden erheben, greifen die angebotenen Zusatzdienste diese Daten in hohem Umfang ab. Äußerst kritisch sieht das Bundeskartellamt in diesem Zusammenhang die weite Verbreitung der Technologie „automatisierte Inhaltserkennung“ (ACR). Sie ermöglicht es, Fernsehinhalte mittels einzelner Ausschnitte eindeutig zu identifizieren, indem sie mit einer Datenbank abgeglichen werden.

Mangelnde Transparenz vor der Kaufentscheidung

Die vielen unterschiedlichen Akteure, die via Smart-TV Daten erheben, sind in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einen bleibt unklar, ob Hersteller von Smart-TVs für mangelnden Datenschutz von dritten Diensteanbietern überhaupt haften. Zum anderen ist kaum nachzuvollziehen, welche Daten wann, wo und wie lange verwendet, gespeichert und weitergegeben werden – und wofür eine Einwilligung der Nutzerin oder des Nutzers vorliegt. Weiterhin beklagt das Bundeskartellamt in ihrer Untersuchung, dass den Käuferinnen und Käufern von Smart-TVs wesentliche Informationen zu Datenschutzbestimmungen oder Dauer der Software-Updates erst beim Anschalten des Gerätes kommuniziert werden.

Wie weiter? – Empfehlungen für die Zukunft

Während Smartphones längst als „Datenschleudern“ verschrien sind, ist vielen Usern von Smart-TVs nicht bewusst, dass diese ebenso extensiv Nutzerdaten verarbeiten. In seinen zehn abschließenden Empfehlungen rät das Bundeskartellamt daher dringend, das Bewusstsein der Verbraucher/-innen hierfür zu schärfen. Appelliert wird zudem an den Gesetzgeber, einen gesetzlichen Anspruch auf Software-Updates zu verankern und die Haftungsfragen der verschiedenen Akteure rund um Smart-TVs zu klären.

Um Datenschutz nachhaltig als „Wettbewerbsparameter“ zu etablieren, müssten Datenschutzinformationen einfach zu erfassen und vor dem Kauf verfügbar sein. Dabei helfen könnten standardisierte Bildsymbole, z. B. zur Frage, ob ACR-Technologie verwendet wird oder wie lange Software-Updates verfügbar sind.
 

Zum Bericht des Bundeskartellamts

Madeleine Hankele-Gauß

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