Navigation überspringen

Kennzeichen von Verschwörungstheorien

Verschwörungstheorien scheinen aktuell besonders populär zu sein. In den sozialen Medien oder im Bekanntenkreis kann man etwa hören, dass die Corona-Pandemie nur dazu diene, die Menschheit zu versklaven, oder dass ein Komplott des „tiefen Staates“ Donald Trump um seinen Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl im November 2020 gebracht habe.

Verschwörungstheorien wie diese interpretieren gesellschaftliche Ereignisse, Zustände oder Entwicklungen als Folge eines geheimen Plans einer angeblich mächtigen Gruppe, die davon vermeintlich profitiert. Dieses Deutungsmuster können Verschwörungstheoretiker/-innen auf ganz unterschiedliche Sachverhalte anwenden, die sie als problematisch erachten. Das können politische Ereignisse wie Wahlen sein, aber auch Themen wie Impfen, Klimawandel oder neue Technologien. Während prinzipiell alle möglichen Gruppen als Verschwörer dargestellt werden können, haben sich mit der Zeit typische Muster herausgebildet. Insbesondere Juden und Geheimbünde wie die Freimaurer werden häufig als Strippenzieher im Hintergrund dargestellt, die Regierungen, Medien und Konzerne kontrollieren.

Von realen Verschwörungen unterscheiden sich Verschwörungstheorien dadurch, dass sie im Widerspruch zu den allgemein anerkannten Fakten stehen. Zudem sind reale Verschwörungen in der Regel von begrenzter Dauer und auf einzelne konkrete Ziele fokussiert. Auch funktionieren reale Verschwörungen häufig schlechter, als dies in vielen Verschwörungstheorien angenommen wird. So erreichen die Verschwörer/-innen ihre Ziele oft nur bedingt und fliegen nach einiger Zeit auf, weil Informationen nach außen dringen.

Einen Überblick über gängige Verschwörungstheorien finden Sie hier.

Eine junge Frau formt mit beiden Händen ein Dreieck und hält dieses vor ihr rechtes Auge.

georgeouspic via Getty Images

Alternative Begriffe

Um zu verdeutlichen, dass es sich bei Verschwörungstheorien nicht um wissenschaftliche Theorien handelt, sprechen manche Autoren lieber von Verschwörungsmythen, Verschwörungserzählungen oder Verschwörungsideologien. Dennoch gibt es gute Gründe, weiterhin den Begriff der Verschwörungstheorie zu gebrauchen. So ist der Begriff sowohl in der Wissenschaft als auch im alltäglichen Sprachgebrauch etabliert und wird allgemein verstanden. Zudem gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass es zu der befürchteten Aufwertung kommt, wenn bestimmte Vorstellungen als Verschwörungstheorien bezeichnet werden. Im Gegenteil: Menschen, die als Verschwörungstheoretiker/-innen bezeichnet werden, lehnen den Begriff meist vehement ab, da sie ihn als diffamierend empfinden. Stattdessen behaupten sie entweder, „die Wahrheit“ zu verkünden oder „nur Fragen zu stellen“ – obwohl sie dadurch ebenfalls die Existenz einer Verschwörung suggerieren

Sieben Schachfiguren, von denen sechs kleine Hüte aus Aluminium tragen.

Der Begriff „Aluhutträger/-in“ ist eine abwertende Bezeichnung für Verschwörungstheoretiker/-innen. Sie geht auf eine Science-Fiction-Erzählung von Julian Huxley aus dem Jahr 1927 zurück, dessen Protagonist Kappen aus Metallfolie nutzt, um die Effekte von Telepathie zu blockieren. | fermate via Getty Images

Verwandtschaft zum Antisemitismus

Unterscheiden lassen sich Verschwörungstheorien nach dem angenommenen Umfang der vermeintlichen Verschwörung. Sie können sich auf einzelne Ereignisse beschränken, aber auch umfangreiche Erzählungen darstellen, die alle wesentliche Entwicklungen der Weltgeschichte über Jahrhunderte hinweg auf den Plan einer klandestinen Gruppe zurückführen. Je mehr durch eine Verschwörungstheorie erklärt wird, desto stärker nimmt sie Züge einer ideologischen Weltanschauung an.

Die Parallele zum Antisemitismus wird darin deutlich, dass der Mythos der jüdischen Weltverschwörung in vielen Verschwörungstheorien von zentraler Bedeutung ist. Dieser Mythos entstand maßgeblich auf Basis der sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“. Der auf Fälschungen beruhende Text entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts und gilt als Urform antisemitischer Verschwörungstheorien. So finden sich typische Motive aus den „Protokollen“ noch heute in vielen, im Internet kursierenden Verschwörungstheorien wieder. Diese stellen zwar nicht mehr zwangsläufig Juden explizit als Verschwörer/-innen dar. Doch sie verwenden alternative Begriffe, die diese Deutung nahelegen – wie z. B. die „globale Finanzelite“ oder die „Neue Weltordnung (NWO)“. Auch Befragungsstudien kommen zu dem Ergebnis, dass der Glaube an Verschwörungstheorien in der Bevölkerung mit antisemitischen Einstellungen einhergeht.

Davidstern am eisernen Zaun vor einer Synagoge

coldsnowstorm via Getty Images

Verhältnis zu Populismus und Fake News

Populismus stellt eine zweigeteilte Sicht auf die Gesellschaft dar: Einem moralisch reinen, homogenen Volk stehe angeblich eine unmoralische, korrupte Elite gegenüber, die den Willen des Volkes missachte. Hängt man einer solchen Vorstellung an, ist es nur noch ein kleiner Schritt dahin, den Eliten zu unterstellen, Teil einer Verschwörung zu sein. Seit jeher greifen Populisten daher auf Verschwörungstheorien zurück, um Stimmungen gegen bestimmte politische, wirtschaftliche oder soziale Gruppen zu schüren.

Gewisse Ähnlichkeiten weisen Verschwörungstheorien außerdem zum Phänomen der Fake News auf. Sowohl Verschwörungstheorien als auch Fake News stehen in Konflikt zu dem, was in einer Gesellschaft allgemein als wahr anerkannt wird. Dennoch gibt es Unterschiede. Bei Verschwörungstheorien kommt es auf den Inhalt der Botschaft an. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Bestandteile des anfangs skizzierten Erklärungsmusters aufweisen. Der Begriff „Fake News“ trifft hingegen eher Aussagen über die Form und den Zweck einer Botschaft: Fake News erwecken den Anschein journalistischer Nachrichten und ihnen liegt eine Täuschungsabsicht zugrunde. Verschwörungstheorien können also in Form von Fake News, aber auch in anderen Erscheinungsformen verbreitet werden. Umgekehrt können Fake News Verschwörungstheorien beinhalten, aber auch andere Falschinformationen zum Gegenstand haben.

Laptop und ein Smartphone mit einer Nachrichtenseite auf den Displays.

oatawa via Getty Images

Tilman Klawier, Institut für Kommunikationswissenschaft, Universität Hohenheim

Diese Seite teilen: