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Perspektive

Wie wird sich der Unterricht unter Einbindung von Medien in den nächsten Jahren entwickeln? Die rasante Entwicklung der vergangenen Jahre macht eine solche Prognose fast unmöglich. Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass heute die meisten Schülerinnen und Schüler bereits ein Smartphone besitzen und sich Informationen völlig unabhängig vom Schulbuch und unabhängig von sonstigen Nachschlagewerken jederzeit und überall besorgen können? Eines aber erscheint klar und unstrittig: Die digitalen Medien werden Unterricht, Informationsbeschaffung und -vermittlung in einer Art verändern, die man sich heute noch kaum vorstellen kann. Diese Veränderungen werden in der Schule nicht so dramatisch vor sich gehen wie in den wirtschaftlichen Branchen, deren Zukunft von der raschen Anpassung an neue Entwicklungen abhängt. So wird sicherlich das Schulbuch noch länger vorherrschendes Medium in vielen Fächern bleiben – daneben aber wird sich Schule den vielfältigen neuen Möglichkeiten des Lernens öffnen, die digitale Medien anbieten.

Wenn Unterricht stärker die individuellen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler aufgreifen soll, wenn er ihre individuellen Stärken besser berücksichtigen will, dann bietet Lernen auf Plattformen ungeahnte Möglichkeiten. Man stelle sich folgendes Szenario vor: Die Lehrkraft stellt ihren Schülern Aufgaben in unterschiedlichen Niveaustufen, die diese selbstständig und in dem für sie geeigneten Tempo im Unterricht, in der Freiarbeitsphase oder zu Hause bearbeiten. Nach Fertigstellung übergeben sie ihre Arbeit der Lehrkraft, die diese überprüft, weitergehende Anregungen, ergänzende Hinweise gibt oder zusätzliche Aufgaben stellt. Plattformen bieten heute schon diese Möglichkeiten, die aber schnell noch deutlich ausgebaut werden müssen.

PCs in einem Computerraum

GettyImages/shironosov

Veränderte Erziehungsmuster

Medieneinsatz ist aber häufig gar nicht so sehr von den didaktischen Mustern, Möglichkeiten oder Chancen abhängig – häufig ist es die persönliche Unsicherheit und Scheu der Lehrkräfte, digitale Medien einzusetzen, denn der Siegeszug der digitalen Medien bringt auch mit sich, dass die über Jahrhunderte üblichen Erziehungsmuster nicht mehr funktionieren: Bereits im 19. und 20. Jahrhundert war Kinder- und Jugendmedienschutz ein wichtiges Thema. Dabei waren die Erwachsenen stets in der Rolle der kompetenten Mediennutzer.

  • Im technischen Umgang mit diesen Medien – vom Radio über den Plattenspieler bis hin zur Video-Kassette – waren die Erziehenden zumeist kompetenter als die Heranwachsenden. Und die Bedienung der teuren Geräte war meistens ihr Privileg.
  • Aber auch in der inhaltlichen Kompetenz (welche Programme sind wie zu bewerten?) konnten sich die Erwachsenen als überlegen fühlen.

Genau dies hat sich mit den digitalen Medien grundlegend verändert: Die Jugendlichen gehen heute – zumindest technisch – mit den (nicht mehr ganz so) Neuen Medien meist souveräner um als die meisten Erwachsenen. Sie erklären ihren Eltern den Umgang mit dem neuen Smartphone und bewegen sich arglos im Internet. Sicher gibt es Erwachsene, die mit diesen neuen Entwicklungen Schritt halten können – doch im Generationenvergleich wird deutlich: Erwachsene haben hier keinen Kompetenzvorsprung mehr, vielmehr sind eher die Jüngeren die Überlegenen. Dabei gilt in den meisten Erziehungsprozessen immer noch: Der Kompetenzvorsprung (von den Umgangsformen über das tägliche Verhalten und die Auswahl der Freunde bis in den schulischen Alltag) ist eine zentrale Begründung dafür, dass Jüngere durch Ältere erzogen werden. Bei den digitalen Medien hat nicht nur der Nachwuchs erheblichen Zweifel, ob ein Kompetenzvorsprung denn überhaupt besteht.

Daher ist den Erziehenden ausdrücklich Mut zu machen: Die Kinder sind in der überwiegenden Mehrheit nicht so medienkompetent, dass sie den Rat und die Erfahrung der Lehrer und Eltern nicht mehr benötigen – denn zu Medienkompetenz gehört mehr als der sichere technische Umgang mit einem Smartphone oder einem Tablet. Ständig online zu sein, Textnachrichten mit atemberaubender Geschwindigkeit zu schreiben, tolle Erfolge im Computerspiel oder viele Kontakte in Sozialen Netzwerken zu haben, sind noch lange kein Ausweis für Medienkompetenz. Diese setzt das Verstehen und Beherrschen von Medienangeboten voraus, also die Fähigkeit, Medien sinnvoll auszuwählen, das Medienangebot kritisch zu reflektieren, die Medien verantwortlich zu nutzen. Vordergründig geht es zum Beispiel bei der Nutzung von Instagram & Co um Kommunikation – tatsächlich aber hat die Nutzung dieses Sozialen Netzwerkes Dimensionen, die die Jugendlichen häufig noch gar nicht erfassen: Um zu verstehen, welche Konsequenzen es hat, Facebook seine persönlichen Daten zu geben, muss man Hintergrundinformationen haben, braucht man ein tieferes Verständnis für moderne Werbung und für die unglaublichen Vorteile einer umfassenden Datenbasis mit allen Interessen, Vorlieben und Gewohnheiten von über einer Milliarde Nutzer. Dafür brauchen Kinder und Jugendliche primär die Hilfe und Unterstützung ihrer Eltern und Lehrer – nicht als IT-Experten, sondern als Vertrauenspersonen, die ihnen mit ihrer über Jahre hinweg erworbenen Lebenserfahrung wichtige Ratschläge in Fragen des verantwortlichen Umgangs zum Beispiel in und mit sozialen Netzwerken oder Smartphones geben können.

Erfolgreicher Medieneinsatz?

Einig scheinen sich alle Experten zu sein, dass der Medieneinsatz immer einem pädagogisch übergeordneten Zweck dienen sollte und stets die Frage zu beantworten ist, in welcher Hinsicht Medien in diesem Kontext zum Erwerb gewünschter Kompetenzen beitragen können. Medieneinsatz per se macht Unterricht nicht besser, wohl aber erhöht richtiger Medieneinsatz die Erfolgschancen der Inhaltsvermittlung beträchtlich. Um die anfangs gestellte Frage nach dem Mehrwert bei der Nutzung von digitalen Medien im Unterricht zu beantworten, sei auf Michael Kerres verwiesen, der für den Einsatz digitaler und interaktiver Medien aus mediendidaktischer Perspektive folgende Vorteile anführt:

  • Digitale und interaktive Medien dienen der Unterstützung anderer Lehr-Lernmethoden und ermöglichen neue Lernqualitäten, indem Lehren und Lernen anschaulicher wird und die Lernenden kognitiv beziehungsweise emotional durch entsprechende Lernaufgaben wie Fallbeispiele, Probleme oder Projekte aktiviert werden.
  • Durch digitale und interaktive Medien ist eine alternative Lernorganisation möglich, da Lernen zeitlich und örtlich ungebundener stattfinden kann, neue Zielgruppen angesprochen werden und auch alternative Lernumgebungen einbezogen werden können.
  • Aufgrund eines individuell angepassten Mediengebrauchs und Lerntempos sind kürzere Lernzeiten möglich.

Der Einsatz von Medien im Unterricht eignet sich also besonders

  • für einen vielseitigen Unterricht, weil durch den Einsatz unterschiedlicher Medien – analog wie digital – die verschiedenen Rezeptionskanäle der Schülerinnen und Schüler gezielt angesprochen werden können,
  • für einen differenzierten oder arbeitsteiligen Unterricht, weil Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Leistungsniveaus passgenaue Aufgaben gegeben werden können, zum Beispiel durch Mathematikaufgaben, die den Schwierigkeitsgrad je nach Leistungsfortschritt erhöhen,
  • zur Veranschaulichung komplexer Sachverhalte und zur Illustration des Lernstoffes, zum Beispiel in physikalischen Versuchen,
  • zum Einüben und Wiederholen von Lerninhalten durch Simulations- oder durch Vokabelprogramme, die die zu erlernenden Vokabeln korrekt aussprechen und helfen, sie im Gedächtnis zu behalten,
  • um in Videokonferenzen mit Schülerinnen und Schülern anderer Nationen Sprache zu erproben, Lebensweisen kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen oder zu erhalten,
  • in der aktiven Medienarbeit, um zu lernen, wie Medienprodukte entstehen und um ihre Wirkungsweise und Hintergründe zu erfassen.

Erfolgreich ist ein Medieneinsatz, wenn es gelingt, die Kompetenzen und Erkenntnisse der Schülerinnen und Schüler zu vermehren. Didaktisch scheint wichtig, dass immer auf ein ausgewogenes Verhältnis von analogen und digitalen Medien geachtet wird. Denn auch wenn Jugendliche vermehrt an Bildschirmen lesen, mit Rechenprogrammen arbeiten und in Tastaturen tippen: Die Grundfertigkeiten wie Lesen, Rechnen und Schreiben behalten ihren Wert. Ein gelungener Einsatz von Medien im Unterricht hängt dabei von mehreren Variablen ab: einem fundierten pädagogisch-didaktischen Konzept, einer hierauf fußenden überzeugenden mediendidaktischen Planung und Analyse, der Medienkompetenz der Lehrkraft selber und der genauen Kenntnis der Rahmenbedingungen der Lehr- und Lernsituation – um nur einige Komponenten zu nennen. Auch sollte sich die Lehrperson stets der Grenzen der eingesetzten Medien bewusst sein, um nicht von Erwartungen auszugehen, die das jeweilige Medium von Natur aus zu erfüllen nicht in der Lage ist.

Das Schulbuch wird noch lange Zeit eine wichtige Rolle im Unterricht spielen. Es wird aber ergänzt werden durch zusätzliche Angebote auf Plattformen und in Lernräumen, wo Jugendliche auf ihr Leistungsvermögen angepasst Zusatzinformationen und Zusatzaufgaben finden, wo die Lehrkraft zum Beispiel den Tafelanschrieb zur häuslichen Nacharbeit und Klassenarbeitsvorbereitung zur Verfügung stellen kann, wo Lehrkräfte direkt mit ihren Schülern kommunizieren können, ohne mit dem Datenschutz in Konflikt zu geraten. Ein weiterer Aspekt ist ebenfalls zentral: Die Verwendung von digitalen Medien im Unterricht hängt immer stärker von den Rahmenbedingungen ab: Wer mit Medien im Unterricht arbeiten möchte, braucht eine sichere technische Umgebung, eine gute Netzanbindung und leicht verfügbare Geräte, braucht eine gewisse persönliche Medienkompetenz und Medienaffinität, braucht die Bereitschaft, die Kompetenz der Schüler in der Bedienung der digitalen Medien anzuerkennen – aber auch das Selbstbewusstsein, dass technische Fertigkeiten nicht mit Medienkompetenz gleichzusetzen sind.

Quellen

[1] Tillmann, Klaus-Jürgen/Wohne, Kerstin:

Wenn Pädagogen über neue Medien diskutieren. In: Schüler. Wissen für Lehrer. Online_Offline. Aufwachsen mit digitalen Welten. 2011, S. 4–7. zurück nach oben

[2] Kerres, Michael:

Mediendidaktik. In: Sander, Uwe/von Gross, Friederike/Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.): Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden 2008, S. 118. zurück nach oben

Magdalena Steiner

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