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Auswirkungen auf den öffentlichen Diskurs

Die herabwürdigende Sprache hat Auswirkungen auf das reale Leben und richtet große Schäden an. Menschen, die einen politischen Umsturz herbeiführen wollen, nutzen das Internet, um durch Hassreden und der Verbreitung „alternativer“ Fakten oder Verschwörungstheorien andere von ihren Ansichten zu überzeugen. Die Folgen sind schwerwiegend, politische oder religiöse Spannungen breiten sich schneller aus denn je. Einst war das Internet als weltweite, verbindende Kommunikations- und Informationsplattform gestartet, doch durch die Zunahme einer hass-geprägten Sprache im Netz ziehen sich immer mehr Menschen aus dem öffentlichen Diskurs zurück. Prominentes Beispiel: Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg Dr. Michael Blume erklärte seinen Rückzug aus den sozialen Medien im Oktober 2019 und schloss seine eigenen Facebook und Twitter-Kanäle. Dennoch blickt er optimistisch in die Zukunft, für ihn ist „Analog das neue Bio“. Anderen Nutzerinnen und Nutzern geht es ähnlich. Zum Rückzug bekannten sich einige der Befragten einer Studie, die Campact e.V. erstmals 2019 vom Meinungsforschungsinstitut YouGov durchführen und vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) auswerten ließ. Eine Mehrheit der Befragten bestätigte dabei, sich seltener im Internet zu ihrer politischen Meinung zu bekennen“.

Frau macht Stop-Zeichen mit der Hand

GettyImages/energyy

Angriff auf die Gesellschaft

Herabwürdigende Kommentare zielen darauf ab, betroffenen Gruppen zu hemmen, auszugrenzen, abzuweisen oder gar zu zerstören. Letztlich verfolgen Hater mit der Verbreitung von Hass im Netz häufig das Ziel, einen gesellschaftlichen oder politischen Wandel herbeizuführen, angefeindete Gruppen aus dem öffentlichen Leben mundtot zu machen oder zu entfernen. Außenminister Heiko Maas benannte schon in seiner Funktion als Bundesminister für Justiz und für Verbraucherschutz die „geistige Brandstiftung“ als Angriff auf den Grundkonsens unserer Gesellschaft und bezeichnet den Hass als eine Ursache für den sprunghaften Anstieg von Gewalttaten gegen Flüchtlinge und andere. Gerade als der Flüchtlingsstrom nach Deutschland in den Jahren 2015-2016 stark zunahm, konnte eine beträchtliche Zunahme von Hasskommentaren im Internet beobachtet werden. Die Forderung aus Politik und von Betroffenen wurde immer lauter, dass bessere Regelungen für das Netz gefunden werden müssen, um die Streuung entsprechender Kommentare einzudämmen. Seither trat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft, weitere Gesetzesinitiativen folgten. Doch um Hatespeech entgegenzuwirken, müssen nicht nur Betreiber von Foren oder sozialen Netzwerken aktiv werden. Viele Initiativen, Bündnisse oder Einzelpersonen aus der Politik beschäftigen sich inzwischen intensiv mit Aufklärung und Unterstützung der Betroffenen, wie z.B. die No-Hate-Speech-Bewegung oder Amadeo Antonio Stiftung.

 

Verschiebung des Sagbaren: „Overton Window“

Das Overton Window (Overton Fenster) ist ein Modell zur Erklärung von Verschiebungen in der öffentlichen Meinung. Ursprünglich beschrieb Joseph P. Overton (1960-2003) in seiner Theorie jenes Overton-Fenster, um den Zusammenhang zwischen Entscheidungen von Politkern und der öffentlichen Meinung darzustellen. Politische Ideen die an einem bestimmten Ort und Zeit vom Volk akzeptiert werden, befinden sich in einer Achse vom Undenkbaren, über radikale Gedanken bis hin zu sinnvollen Ideen und der aktuellen Staatspolitik. Alle Meinungen außerhalb des akzeptierten Overton Window gelten als radikal und Provokation. Dieses Fenster (Framing) könnte für Politiker oder Parteien entscheidend sein, denn bewegen sie sich mit ihren Aussagen am Rande, sinken die Chancen in ein Amt gewählt zu werden, so die Theorie. Einige Akteure, die sich gegen Hatespeech einsetzen, mahnen an, dass es sich um eine Strategie der Rechten handelt, mit Hass-Beiträgen die sozialen Netzwerke zu fluten, um die öffentliche Meinung nach ihren Vorstellungen zu formen und das Overton Window damit zu verschieben.

Quellen

[1] „Geh sterben! Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet“:

Anja Franz

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