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Ungleichwertigkeit als ideologischer Kern

Der Begriff „Rechtsextremismus“ ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene politische Bestrebungen und Strömungen, die nationalistische, antisemitische, rassistische und fremdenfeindliche Grundprinzipien in unterschiedlichen Ausprägungen an den Tag legen.

Ungleichwertigkeit kann als ideologischer Kern des rechtsextremen Denkens angesehen werden: Während die eigene, als ethnisch homogen wahrgenommene Volksgemeinschaft aufgewertet wird, werden andere Menschen aufgrund ihrer zugeschriebenen sozialen Gruppe oder ethnischen Zugehörigkeit abgewertet und ausgegrenzt. Mit dem Narrativ des „Volkes“ wird im Rechtsextremismus – wie auch im Rechtspopulismus – die eigene Gruppe basierend auf ethnischen, sozialen oder auch religiösen Merkmalen definiert. Diese Merkmale machen sie vermeintlich klar von anderen Gruppen, die als fremd wahrgenommen oder als „gefährliche Andere“ stigmatisiert werden, abgrenzbar. Im Zentrum steht die Berufung auf ein „Deutschsein“ oder „Weiß-Sein“ als Aspekte, die den tatsächlichen Wert eines Menschen bestimmen würden. Ausdruck finden diese Überzeugungen in nationalistischen und rassistischen Einstellungen und Verhaltensweisen.

Mann mit schwarzer Mütze hat einen Baseballschläger in der Hand.

mheim3011 via Getty Images

„Das Fremde“ als Feindbild und Gefahr für die tugendhafte Eigengruppe

Als „natürliche Feinde“ gelten Menschen, die z.B. aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion als fremd wahrgenommen werden, sexuellen Minderheiten angehören oder politische Gegenpositionen vertreten. Indem gezielt Ängste vor Angehörigen dieser Fremdgruppen geschürt werden, wie z.B. vor Vergewaltigungen oder Überfällen, soll der Zusammenhalt der „tugendhaften“ Eigengruppe gestärkt werden. Gewarnt wird vor einer Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhaltes, der „Islamisierung der deutschen Bevölkerung“ oder dem „Großen Austausch“. Letzterer bezeichnet eine Verschwörungserzählung insbesondere aus dem neurechten Spektrum, die einen geplanten „Austausch“ des deutschen Volkes durch Migrantinnen und Migranten annimmt. Gesteuert werde dieser „Große Austausch“ angeblich von jüdischen Strippenzieherinnen und Strippenziehern im Hintergrund. Die Verschwörungserzählung verbindet dabei antimuslimischen Rassismus mit antisemitischen Stereotypen.

Um sich im Vergleich zum klassischen Rechtsextremismus einen intellektuellen Anstrich zu geben, lehnen Neue Rechte die offene Abwertung anderer Kulturen und Völker häufig ab. Stattdessen propagieren sie den sogenannten Ethnopluralismus. Diesem Konzept zufolge meint „Volk“ nicht die Bevölkerung eines Staates, sondern eine spezielle Ethnie mit einer vermeintlich unveränderlichen kulturellen Identität. Da diese vor möglichen schädlichen Einflüssen geschützt werden müsse, sollten sich Völker streng voneinander abgrenzen. In anderen Worten: Die Identität eines Volkes könne am besten in seinem jeweiligen Heimatland gewahrt werden – oder schlicht „Ausländer raus!“

Die rechtsextremistische Menschenverachtung gegenüber bestimmten Gruppen schlägt sich dabei nicht nur in Worten, sondern auch in Gewalttaten nieder. Dazu zählen Anschläge auf Menschen mit Migrationsgeschichte oder auf Jüdinnen und Juden sowie die gezielte Tötung einzelner Menschen wie z.B. im Falle der NSU-Morde oder des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Schusslöcher auf einer Scheibe

IndiaUniform via Getty Images

Nationalsozialismus, autoritärer Staat und traditionelles Familienbild

Zentrale Merkmale des Rechtsextremismus sind weiterhin die Verherrlichung und Verharmlosung des historischen Nationalsozialismus. Zudem gilt ein autoritäres Staatsverständnis und damit die Ablehnung der Gewaltenteilung als Kernelement rechtsextremen Denkens.

Das Bedürfnis nach Rückwärtsgewandtheit und Traditionalismus äußert sich auch in dem von rechtsextremen Akteurinnen und Akteuren vertretenen Geschlechter- und Familienbild. So geht das rechtsextreme Weltbild von zwei Geschlechtern – Mann und Frau – und von ausschließlich heterosexuellen Beziehungen aus. Andere Geschlechtsidentitäten sowie sexuelle Orientierungen werden in der Regel abgelehnt oder geleugnet. Damit verbunden sind traditionelle, biologistisch determinierte Geschlechterrollen. Das heißt: Soziale Rollen und Eigenschaften werden auf der Grundlage des biologischen Geschlechtes zugewiesen und sind daher unveränderlich. So wird beispielsweise „Fürsorge“ als typisch weiblich verstanden. Mutterschaft wird ideologisch aufgewertet. Als Hausfrau und Mutter steht die Frau im Dienst der Gemeinschaft. Mit diesen Rollen- und Familienbildern sind Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten jedoch nicht allein. Sie finden sich in vergleichbarer Weise in anderen extremistischen Ideologien wieder wie beispielsweise im Islamismus.

Antisemitismus und Holocaust-Leugnung

Antisemitismus gehört auch heutzutage immer noch zum „Grundrezept“ der rechtsextremen Ideologie. Dieser äußert sich zum Beispiel in Form einer mehr oder weniger subtilen Holocaust-Leugnung und -verharmlosung. Auch viele Verschwörungsnarrative verfolgen antisemitische Absichten. Eine davon ist die Erzählung einer „Neuen Weltordnung“, die einflussreiche Jüdinnen und Juden angeblich errichten wollen und dafür Politik und Gesellschaft manipulieren würden. Um eine offene Ablehnung von Jüdinnen und Juden zu umgehen, tritt an die Stelle von gesellschaftlich geächtetem Judenhass zum Teil auch eine aggressive Feindschaft gegenüber dem Staat Israel.

Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass antisemitische Einstellungen nicht nur unter Personen mit einem gefestigten rechtsextremen Weltbild verbreitet sind. So befürworten nach aktuellen Studien ca. 15 Prozent der deutschen Bevölkerung antisemitische Einstellungen zumindest zum Teil. Antisemitismus verbleibt aber nicht nur auf der Ebene der Einstellungen oder einer mitunter aggressiven verbalen Ebene. Er entlädt sich auch in gewalttätigen Anschlägen wie z.B. dem Attentat auf die Synagoge in Halle im Jahr 2019.

Rechtsextreme Einstellungen in der deutschen Bevölkerung

Der Anteil an Personen in Deutschland mit gefestigten rechtsextremen Einstellungen ist laut der aktuellen Leipziger Autoritarismus-Studie mit ca. vier Prozent zwar vergleichsweise gering. Doch Rechtsextreme finden etwa über die Verbreitung demokratiefeindlicher Einstellungen und Verschwörungserzählungen zunehmend Zuspruch in der gesellschaftlichen Mitte. Durch die Unsicherheiten und Herausforderungen der COVID-19-Pandemie nimmt dieser Zuspruch derzeit weiter zu.

Rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen in Deutschland

Das Spektrum an rechtsextremen Parteien und Gruppierungen ist vielfältig. Lange Zeit war die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) mit ihren verschiedenen Unterorganisationen (z.B. „Ring Nationaler Frauen“) in Deutschland die wichtigste rechtextreme Partei – teilweise war sie sogar in einigen deutschen Landesparlamenten vertreten. Seit dem Aufstieg der „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat die NPD allerdings massiv an Bedeutung und Zuspruch verloren. Im Jahr 2013 als eurokritische Partei gegründet, hat sich die AfD im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 zunehmend im rechten politischen Spektrum etabliert und radikalisiert. Der Thüringer Landesverband der AfD wird vom Thüringer Verfassungsschutz als erwiesen extremistisch beobachtet (Stand: Mai 2021). Auch einzelne Landesverbände der „Jungen Alternative“, der offiziellen Jugendorganisation der AfD, sind Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes. Inzwischen beabsichtigt das Bundesamt für Verfassungsschutz, die gesamte AfD als Rechtsextremismus-Verdachtsfall einzustufen.

Vertreten ist die AfD in allen Landesparlamenten sowie im Deutschen Bundestag. Darüber hinaus gibt es kleinere rechtsextreme Parteien wie den „III. Weg“ oder „Die Rechte“, die stark mit dem historischen Nationalsozialismus verbunden sind, sowie die „Pro-Bewegungen“. Kleinere rechtsextreme Kameradschaften, die eher lokal und ohne klare Vereinsstruktur organisiert sind, zählen ebenso zum rechten Rand wie rechtsextreme Skinheads.

An Bedeutung hat in den vergangenen Jahren auch das Phänomen der sogenannten „Neuen Rechten“ gewonnen. Das ist ein Netzwerk an Intellektuellen, die sich ideologisch auf die „Konservative Revolution“ der Weimarer Republik berufen – und eben nicht auf den Nationalsozialismus wie viele andere Rechtextreme. Zu den Neuen Rechten zählt auch die „Identitäre Bewegung“ (IB) – eine rechtsextreme Gruppierung, die jung, hip, gebildet und attraktiv wirken soll. In Deutschland ist sie seit 2012 aktiv. Eine zentrale Führungsfigur im deutschsprachigen Raum ist Martin Sellner, ein führender Kader der österreichischen Identitären Bewegung.

Quellen

[3] Schneider, J. et al. (2019):

Verschwörungstheorien und Kriminalitätsfurcht in rechtsextremen und islamistischen YouTube-Videos. Praxis der Rechtspsychologie, 1, 41-66. zurück nach oben

[5] Pfeiffer, T. (2017):

Menschenverachtung mit Unterhaltungswert. In Glaser, S./Pfeiffer, T. (Hrsg.). Erlebniswelt Rechtsextremismus. modern – subversiv – hasserfüllt. Hintergründe und Methoden für die Praxis der Prävention (S. 41-64). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. zurück nach oben

[9] Decker, O./Brähler, E. (Hrsg., 2020):

Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität. Gießen: Psychosozial Verlag. zurück nach oben

Dr. Josephine B. Schmitt, Wissenschaftliche Koordinatorin, CAIS

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