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Popkulturelle Anleihen aus Film, Musik oder Videospielen

Rechtsextreme Akteurinnen und Akteure haben es schon früh verstanden, die vielfältigen Möglichkeiten des Internets für die Verbreitung ihrer Inhalte zu nutzen. Wenngleich nach wie vor Symbole und Ästhetik des historischen Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielen, knüpfen rechtsextreme Online-Angebote stark an jugendkulturelle Phänomene an. Popkulturelle Anleihen aus Filmen, Musik oder Videospielen werden genutzt, um Heranwachsende anzusprechen.

So wird rechtes Gedankengut in Musikvideos, Videomitschnitten von Demonstrationen oder Auftritten rhetorisch begabter Redner/-innen der rechtsextremen Szene vermittelt. Spezielle Videospiele dienen als Mittel, um insbesondere männliche Jugendliche frühzeitig und subtil für rechtsextreme Narrative zu begeistern. Gaming-Plattformen wie z.B. Discord dienen als Orte der Kommunikation und Organisation.

Derartige popkulturelle Anleihen nutzte etwa auch der Attentäter von Halle (2019). Er inszenierte seinen versuchten Massenmord wie ein Computerspiel. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die QAnon-Erzählungen, die Elemente aus Science-Fiction- und Mystery-Serien vereinen. Darüber hinaus werden gezielt Online-Games erstellt, um rechtsextreme Ideologien zu verherrlichen und zu propagieren. So müssen die Spieler/-innen im mittlerweile recht alten Spiel „SA Man“ – einer Art Pac-Man – als SS-Soldatinnen und -Soldaten gegen Jüdinnen und Juden kämpfen.

Beispielhaft lässt sich diese Strategie auch an den Aktionen der sogenannten „Identitären Bewegung“ (IB), einer jugendaffinen Strömung aus dem neurechten Spektrum, erkennen. Sie zeichnet sich durch ein eher alternatives Auftreten und die Adaption linker Subkultur (z.B. Flashmobs, Aufkleber) aus. Die Identitäre Bewegung versucht sich nach außen hin vom plakativen Rassismus und Nationalsozialismus der „klassischen“ Rechtsextremen abzugrenzen. Im Inneren verfolgt sie jedoch die gleiche menschenverachtende Ideologie.

Typische rechtsextreme Propagandaveranstaltungen sind außerdem politische Schulungsveranstaltungen und Freizeitaktivitäten wie Konzerte, Sportturniere und Straßenfeste. Die „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ verdichtet damit Freizeitangebote und Ideologie zu einem Lebensgefühl und lockt mit dem Versprechen von Gemeinschaftsgefühl, Gruppenzugehörigkeit und Orientierung.

Teenager beim Computerspielen

Milan_Jovic via Getty Images

Massenhafte Provokationen manipulieren den öffentlichen Diskurs

Die inhaltliche und formale Bandbreite rechtsextremer Propaganda ist beachtlich. So verbreiten Internetseiten und Foren Gewaltfantasien im Hinblick auf „Fremde“ und politische Gegner/-innen. „Alternative“ Nachrichtenseiten und Blogs, wie z.B. das COMPACT-Magazin, kreieren parallele mediale Öffentlichkeiten. Daneben versucht die rechtsextreme Szene, den öffentlichen Diskurs zu manipulieren und zu polarisieren. Provokationen werden hierzu koordiniert und massenhaft über soziale Medien ausgespielt. Man spricht hier auch von sogenannten Troll-Armeen. Hinzu kommen die Handlungen und Äußerungen von Einzelpersonen. Über das gesamte Spektrum hinweg lässt sich eine zunehmende Radikalisierung der Debatten beobachten. Menschenfeindliche und volksverhetzende Äußerungen sowie Aufrufe zur Gewalt werden zum Teil offen und ungeniert vorgetragen.

Um einer strafrechtlichen Verfolgung oder Löschung ihrer Profile und Beiträge zu entgehen, nutzen Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten verschiedene kommunikative Strategien. So stellen sie in Diskussionsrunden sehr ausführliche, mengenmäßig ausufernde Informationen zur Verfügung, die angebliche Beweise für die negativen Folgen der „Überfremdung“ oder „die Machenschaften der da oben“ liefern. Außerdem bemühen sie falsche Statistiken, fragwürdige Quellen oder vermeintliche Expertinnen und Experten als Belege für ihre Behauptungen. Auch Humor und Satire werden zur Tarnung von Provokationen und Gewaltaufrufen, z.B. im Rahmen von Memes, verwendet. Das fördert die Anschlussfähigkeit der rechtsextremen Positionen und Inhalte. Der Inhalt wird damit „im Kern rechtsradikal, in der Form gemäßigt“ vermittelt und birgt ein zunächst nur unterschwelliges Überzeugungspotential.

Stilisierung als Kämpfer für Meinungsfreiheit

Rechtsextreme erreichen große Aufmerksamkeit für ihre Beiträge, indem sie an aktuelle Ereignisse anknüpfen, wie derzeit die Corona-Schutzmaßnahmen, oder gefühlsbeladene Themenbereiche, wie z.B. Kindesmissbrauch, instrumentalisieren und stark emotionalisieren. Sie geben sich dabei oftmals gezielt seriös, integer und bürgernah, um glaubwürdig und anschlussfähig an den gesellschaftlichen Mainstream zu wirken. In Diskussionen inszenieren sie sich zuweilen als „Tabubrecher“, pochen auf das Recht der freien Meinungsäußerung und stilisieren sich zu Kämpferinnen und Kämpfern für die Meinungsfreiheit. Prominente Anhänger/-innen haben insbesondere im Kontext der COVID-19-Pandemie zur Verbreitung rechtsextremer Narrative an eine breite Öffentlichkeit beigetragen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang etwa der Kochbuchautor Attila Hildmann oder der aus diversen Reality-Formaten bekannte Sänger Michael Wendler.

Instrumentalisierung von Angst und Hass

Der Hass auf die multikulturelle Gesellschaft und die Angst vor einer zunehmenden „Überfremdung“ durch Personen muslimischen Glaubens sind zwei starke Emotionen, die rechtsextreme Akteurinnen und Akteuren mittels ihrer Propaganda befeuern. Sie beschwören klar abgrenzbare Feindbilder und wecken Zukunftsängste. In Verschwörungserzählungen zeichnen sie darüber hinaus Schreckensbilder von einer Unterdrückung durch „Eliten“ und „geheime Strippenzieherinnen und Strippenzieher“ und schüren Ängste vor einer unberechenbaren Anarchie. Gleichzeitig transportieren solche Verschwörungserzählungen mehr oder weniger unterschwellig Antisemitismus. Ähnliche Narrative nutzen auch islamistische Extremistinnen und Extremisten im Rahmen ihrer Propaganda. Insbesondere in homogenen Netzwerken – also unter Personen, die ähnliche Einstellungen und Haltungen teilen –, aber auch im Kontext gesellschaftlicher Krisen finden Verschwörungserzählungen große Akzeptanz und Verbreitung.


Dieser Text enthält – mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen und Autoren – Fragmente aus folgendem Text: Schmitt, J. B., Ernst, J., Frischlich, L. &. Rieger, D. (2017). Rechtsextreme und islamistische Propaganda im Internet: Methoden, Auswirkungen und Präventionsmöglichkeiten. In Altenhof, R., Bunk, S., & Piepenschneider, M. (Hrsg.), Politischer Extremismus im Vergleich (S. 171-208). LIT Verlag Dr. W. Hopf.

Quellen

[1] Pfeiffer, T. (2017):

Menschenverachtung mit Unterhaltungswert. In: Glaser, S. und Pfeiffer, T. (Hrsg.). Erlebniswelt Rechtsextremismus. Modern – subversiv – hasserfüllt. Hintergründe und Methoden für die Praxis der Prävention (S. 41-64). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. zurück nach oben

[2] Ibsen, F. et al. (2017):

Rechtsextreme Medienstrategien. Inszenierung von Radikalität im Social Web und ihre Attraktivität für Jugendliche. In: Hohnstein, S. und Herding, M. (Hrsg.). Digitale Medien und politisch-weltanschaulicher Extremismus im Jugendalter (S. 17-38). Halle: Deutsches Jugendinstitut. zurück nach oben

[7] BMI (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) (2020):

[8] Schmitt, J. B. et al. (2020):

Themen, Motive und Mainstreaming in rechtsextremen Online-Memes. Medien- und Kommunikationswissenschaft, 1-2 (S. 73-93). zurück nach oben

[9] Schwarzenegger, C. und Wagner, A. (2018):

Can it be hate if it is fun? Discursive ensembles of hatred and laughter in extreme right satire on Facebook. Studies in Communication and Media, 4 (S. 473-498). zurück nach oben

[10] Busch, C. (2008):

Rechtsradikale Im Web 2.0 – „... take up positions on ‚mainstream’ groups”. In Dittler, U. und Hoyer, M. (Hrsg.). Aufwachsen in virtuellen Medienwelten – Chancen und Gefahren digitaler Medien aus medienpsychologischer und medienpädagogischer Perspektive (S. 223–238). München: Kopaed Verlag. zurück nach oben

[11] Schneider, J. et al. (2019):

Verschwörungstheorien und Kriminalitätsfurcht in rechtsextremen und islamistischen YouTube-Videos. Praxis der Rechtspsychologie, 1 (S. 41-66). zurück nach oben

[12] Schneider, J. et al. (2019):

Verschwörungstheorien und Kriminalitätsfurcht in rechtsextremen und islamistischen YouTube-Videos. Praxis der Rechtspsychologie, 1 (S. 41-66). zurück nach oben

Dr. Josephine B. Schmitt, Wissenschaftliche Koordinatorin, CAIS

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