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Täterinnen und Täter haben vielfältige Motive

Laut Studie Cyberlife II: Vier große Motive

Im Zentrum aggressiver Konflikte stehen die aktiven Täter/-innen („Bullys“) einerseits und die in der Regel eher passiven Betroffenen andererseits. Dabei kann es sich auf beiden Seiten sowohl um Einzelpersonen als auch um Personengruppen handeln. Häufig initiieren Personen aus dem sozialen Umfeld der Betroffenen Cybermobbing, sodass On- und Offline-Mobbing miteinander einhergehen können. Es ist auch möglich, dass völlig fremde Personen zur Täterin oder zum Täter werden. Dies ist jedoch deutlich seltener der Fall.

Die Gründe, weshalb es zu Mobbingattacken im Netz kommt, sind vielfältig. Der Studie Cyberlife II zufolge lassen sich vier Gruppen von Motiven erkennen: erstens kann Cybermobbing eine Reaktion auf das Verhalten der Betroffenen sein, zweitens eine Rache für in der Vergangenheit erfolgtes Mobbing, drittens eine Folge der Befindlichkeit der Täterin oder des Täters oder viertens eine Strategie zur Aufwertung in der Peergroup.

Jede/-r Zweite reagiert auf Ärger mit dem Opfer

Nahezu jede/-r zweite der befragten Täter/-innen begründete das Mobbing als Reaktion auf vorherigen Ärger mit dem Opfer (43 %) oder damit, dass das Opfer es verdient habe (45 %). Um sich aus der eigenen Opferrolle zu befreien und sich an den früheren Bullys zu rächen, mobbt fast jede/-r dritte 10- bis 21-Jährige. Um andere, die gemobbt wurden, zu rächen, begehen weitere 18 % der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Cybermobbing.

Für eine/-n bis zwei aus zehn Täterinnen und Tätern löst die eigene Befindlichkeit das Mobbing aus: Gemobbt wird aus Spaß (23 %), wegen schlechter Laune (12 %) oder aus Langeweile (11 %). Der Auslöser „schlechte Laune“ lässt dabei darauf schließen, dass die Täterin oder der Täter seine oder ihre Emotionen nur schlecht kontrollieren kann und die Aggression nach außen zur Entlastung beiträgt. Darüber hinaus kann Cybermobbing auch eine Strategie sein, um das eigene Ansehen in der Peergroup zu stärken, mögliche eigene Schwächen zu kaschieren oder dem Gruppendruck zu entsprechen. So mobben 13 % der Befragten, „weil andere das auch machen“, und immerhin 9 %, „weil es cool ist“.

Junger Mann mit Rucksack

GettyImages/Highwaystarz-Photography

Betroffene leiden psychisch und physisch

Jede/-r kann Opfer von Cybermobbing werden

Durch die physische Distanz, Anonymität und Kommunikationskultur des Internets kann Cybermobbing aus dem Nichts heraus erfolgen. Alle Menschen, die Onlinemedien nutzen, können prinzipiell davon betroffen sein. Persönliche Merkmale wie Aussehen, soziale Herkunft, Hobbys, schulische oder berufliche Leistungen sind dabei nicht mehr zwingend Auslöser des Mobbings, können jedoch Anlass dafür bieten.

Gesundheitliche Folgen des Cybermobbings

An Betroffenen, die dauerhaft mit massivem Cybermobbing konfrontiert sind, vollziehen sich meist Veränderunge in ihrem körperlichen und psychischen Wohlbefinden, aber auch in ihrem Umgang mit Mitmenschen. Anfängliche Verärgerung und Wut über einzelne beleidigende Äußerungen können in langfristige psychische und physische Schäden münden, wenn das Mobbing nicht aufhört.

Wer permanent fertiggemacht wird – im schlimmsten Fall öffentlich und von einer Vielzahl bekannter wie unbekannter Täter/-innen – leidet häufig unter Minderwertigkeitsgefühlen, Ohnmacht und Unsicherheit. Psychische Reaktionen wie Niedergeschlagenheit, Angst und Depressionen bis hin zu selbstverletzenden Handlungen können die Folge sein. Auch körperliche Reaktionen wie Appetitlosigkeit, Kopf- und Bauchschmerzen oder Schlafstörungen können auftreten. Aus der Studie Cyberlife II geht hervor, dass jede/-r fünfte Betroffene mit dem Gedanken an Suizid spielt, jede/-r siebte als Folge des Mobbings Alkohol oder Tabletten zu sich nimmt.

Soziale Folgen des Cybermobbings

Findet das Cybermobbing im schulischen Umfeld statt, sind eine nachlassende Konzentrationsfähigkeit, abfallende Schulleistungen und der Wunsch, nicht mehr in die Schule zu gehen, mögliche Anzeichen. Generell werden Betroffene oft zunehmend verschlossen und ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Sie nutzen das Internet nur noch ungern und verhalten sich anderen gegenüber zurückhaltend, misstrauisch oder aggressiv. Fragen nach diesen Veränderungen werden häufig abgeblockt oder heruntergespielt – aus Scham, die erlebten Demütigungen zu thematisieren.

Hilfe und Unterstützung suchen sich Kinder und Jugendliche laut Cyberlife-II-Studie in den meisten Fällen bei Eltern, Freundinnen oder Freunden, Familienmitgliedern und Verwandten oder Lehrkräften. Bereits in Workshops oder Unterrichtseinheiten zur Prävention von Cybermobbing sollten Jugendliche dazu aufgefordert und darin bestärkt werden, sich an erwachsene Vertrauenspersonen zu wenden, wenn sie betroffen sind. Denn: Je eher in einem Cybermobbing-Fall eingegriffen wird, desto weniger Schaden und Leid entstehen.

Bystander können Konflikte verstärken oder entschärfen

Aktiv, passiv oder Mitläufer/-in?

Digitale Kommunikation – und damit auch Cybermobbing – kann potenziell eine große Öffentlichkeit erreichen. Die virtuellen Zuschauer/-innen bezeichnet man auch als Bystander. Das können Freunde, Klassenkameraden oder gänzlich Unbekannte sein. Bekommen sie Cybermobbing mit, können sie sich passiv verhalten, Bullys in ihrem Handeln bestärken oder Betroffenen helfen. Dadurch können sie den Konflikt entweder verstärken oder zu seiner Lösung beitragen.

Schauen Bystander zu und schweigen, können Bullys dieses passive Verhalten als stillschweigende Zustimmung interpretieren. Durch ihre unterlassene Hilfeleistung sind auch sie für die Fortsetzung des Mobbings mitverantwortlich. Kommentieren, teilen oder liken die virtuellen Zuschauer/-innen gar die Beiträge der Täter/-innen, fühlen letztere sich in ihrem Handeln bestärkt. Aus Bystandern werden Mitläufer/-innen – auch wenn dahinter Gruppenzwang oder die Angst, selbst zum Opfer zu werden, stehen.

Unterstützen Bystander hingegen Betroffene, können sie dazu beitragen, das Cybermobbing abzuschwächen oder sogar ganz zu stoppen. Ihnen steht dabei eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung (siehe Infografik).

Wer hilft unter welchen Umständen?

Freundinnen oder Freunde des Opfers, Mädchen, jüngere Jugendliche, empathischere Jugendlich und solche, die selbst schon von Cybermobbing betroffen waren, unterstützen Opfer dabei häufiger als andere. Ob virtuelle Zuschauer/-innen eingreifen oder nicht, entscheidet sich außerdem daran, ob sie sich fähig fühlen, erfolgreich einzugreifen, ob die Gruppe aggressives Verhalten ablehnt oder nicht und ob ein Vorfall als Notfall interpretiert wird oder nicht. Leider tritt in diesem Zusammenhang häufig der Effekt der „pluralistischen Ignoranz“ auf: Je mehr andere Zuschauer/-innen sich passiv verhalten, desto weniger wird ein Cybermobbing-Vorfalls als Notfall eingestuft und desto weniger Bystander intervenieren.

Obwohl die Bystander für den Verlauf von Cybermobbing eine wichtige Rolle spielen, schätzen Heranwachsende ihre Einflussmöglichkeiten auf Bullys nur gering ein. Erst wenn ein Streit zu eskalieren droht oder Betroffene explizit um Hilfe bitten, wird Eingreifen legitim. Präventionsprogramme wie „Surf-Fair“ und „Medienhelden“, die die Rolle der Bystander explizit reflektieren, sind daher ebenso erfolgversprechend wie Mentorenkonzepte, bei denen Jugendliche als „Anti-Mobbing-Helfer“ oder „Medienscouts“ in die Verantwortung genommen werden.

Wie Bystander helfen können von Madeleine Hankele-Gauß

Katy Gillner & Madeleine Hankele-Gauß

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