Navigation überspringen

Zukunftsorientiertes Fremdsprachenlernen mit Virtual Reality

Stephanie Wössner
Teilnehmer beim VR-Projekt

Zukunftsorientiertes Fremdsprachenlernen am Stuttgarter Schickhardt-Gymnasium

Virtual Reality ist eine Technologie, die es Lernenden ermöglicht, entsprechend der eigenen Fähigkeiten eine Fremdsprache zu nutzen, um zum Beispiel über ein für sie relevantes Thema zu sprechen und gleichzeitig anderen Jugendlichen Denkimpulse zu geben. In einem binationalen Kontext, beispielsweise im Rahmen eines deutsch-französischen Projekts, wie es im Juni 2019 und im Mai 2020 am Schickhardt-Gymnasium stattgefunden hat, wird Englisch so zur lingua franca (Verkehrssprache) in einer authentischen Kommunikationssituation, die Lernenden außerdem die Möglichkeit gibt, ihre eigene kulturelle Identität als europäische Bürger einzubringen und zu reflektieren sowie Gemeinsamkeiten und sich ergänzende individuelle Stärken zu erkennen.

Beim Projekt „Europe United: Let’s change the world“ ging es darum, sich in neun bis zehn Schulstunden mit dem Thema „Heroes & Causes“ (dt. Helden und gute Zwecke) auseinanderzusetzen. Dieses Projekt passt in vielerlei Hinsicht zum Bildungsplan Englisch. Dort werden Fremdsprachenkenntnisse als wichtige Grundlage für den internationalen Dialog verstanden, fremde Denkmuster sollen kennengelernt, internationale Begegnungen gefördert werden und Englisch wird als Kommunikationssprache verstanden. Thematisch fordert der Bildungsplan die Beschäftigung mit der Rolle des Individuums in der Gemeinschaft („making a difference“) und der Beziehung des Individuums zu seinem Lebensraum. Sprachlich werden alle Kompetenzen (Hör-/Sehverstehen, Leseverstehen, Schreibkompetenz, Sprechkompetenz, ggf. Sprachmittlung, d.h. kultursensibles Dolmetschen) berücksichtigt, die der Bildungsplan fordert. Auch Wortschatzarbeit und Grammatik sind explizit Teil des Projekts.

Helden aus der Vergangenheit und Gegenwart

Da Lernende, die zwar einen mediengestützten, aber dennoch eher konventionellen Unterricht gewohnt sind, langsam und strukturiert an größere Projekte herangeführt werden müssen, gab es zu Beginn eine sprachliche Vorentlastung des notwendigen Wortschatzes. Das erfolgte anhand von Hörverstehensaufgaben in Verbindung mit LearningApps. Die notwendige Grammatik wurde mit Lernvideos und interaktiven Übungen zu den Verbzeiten vermittelt. Dies wurde im Sinne der Flipped-Classroom-Idee in die Hausaufgabenzeit ausgelagert.

Im Anschluss daran bestand die Aufgabe der nächsten zwei Stunden darin, sich einen Helden aus der Vergangenheit und einen Helden aus der Gegenwart zu suchen, zu der jeweiligen Person Recherchen anzustellen, verwandte, urheberrechtlich unbedenkliche Medien zu recherchieren und einen kurzen Text auf Englisch zu schreiben, der die jeweilige Person beschrieb und erklärte, was sie zum Helden macht.

Schließlich sollten sich die Lernenden eine Sache überlegen, die ihnen am Herzen liegt, und durch die sie vielleicht selbst eines Tages zum Helden bzw. zur Heldin werden könnten. Als Beispiel wurde hier Klimaschutz genannt und an Greta Thunberg erinnert. Auch hier war die Aufgabe, einen kurzen Text in der Fremdsprache zu schreiben, der ihr Anliegen erläutert, und Illustrationsmaterial zu beschaffen.

In den folgenden zwei Stunden bestand die Aufgabe darin, ein in CoSpaces Edu vorbereitetes Museum mit den erarbeiteten Inhalten zu füllen.

Bildschirmansicht beim VR-Projekt

Screenshot von CoSpaces Edu

Virtuelle Museumsbesuche

So sollten Fotos und Videos importiert und die geschriebenen Texte eingesprochen werden. Schließlich sollten Objekte anhand von ebenfalls bereits vorbereiteten Elementen so programmiert werden, dass die eingesprochenen Texte und Videos durch einen Mausklick abgespielt werden können, indem man mit dem Mauszeiger darüber hovert. Als die Räume fertig erstellt waren, hatten die Lernenden aus beiden Ländern die Möglichkeit, ihr eigenes Museum zu ihren zwei Helden und dem guten Zweck selbst mit einem Tablet oder einer Oculus Go virtuell zu erkunden.

Die Projektpartner arbeiteten in der Regel in gemischten binationalen Vierergruppen zusammen. Als Abschluss erhielten sie den Auftrag, den Museen der anderen drei Gruppenmitglieder virtuell einen Besuch abzustatten und diese zu erkunden. Schließlich sollten sie (am PC bzw. am Tablet) eine Figur im Feedback-Corner der drei besuchten Museen platzieren, die mündlich auf Englisch ein Feedback gibt und eine Frage stellt. Jeder Jugendliche besuchte dann erneut sein eigenes Museum, beantwortete die Fragen der Besucher ebenfalls in der Fremdsprache und konnte sich am Ende die Antworten auf seine Fragen bei einer erneuten virtuellen Stippvisite anhören.

Fazit
Zusammenfassend haben die Lernenden aus beiden Ländern also nach der vorbereitenden Wortschatz- und Grammatikarbeit in der Fremdsprache Quellen gelesen, Texte geschrieben, diese als Monolog eingesprochen, die Museen ihrer Projektpartner besucht und die von ihnen gewählten Medien und eingesprochenen Texte angeschaut bzw. angehört und haben im Anschluss einen (asynchronen) Dialog geführt. Außerdem war es zwingend nötig, den Partnern kulturelle Besonderheiten aus dem eigenen Land zu erklären und dabei Sprachmittlungskompetenzen zu nutzen, sofern die Helden oder vorgestellten guten Zwecke kulturspezifischer Art waren. Schließlich arbeiteten sie in verschiedenster Weise mit Medien, um eine Präsentation ihrer Arbeitsergebnisse zu erstellen.

Das Feedback der Lernenden zu ihrem ersten VR-Projekt war durchweg positiv.

Zukunftsorientierung
Die Zukunftsorientierung ergab sich daraus, dass die Projektpartner im Rahmen einer europäischen Zusammenarbeit in verschiedenen Phasen, wovon eine Phase dieses Projekt darstellte, ihre eigene kulturelle Identität wahrnahmen und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede reflektierten. Als Bürger zweier maßgeblicher europäischer Staaten gingen sie so einen ersten Schritt in Richtung europäische Zusammenarbeit und befassten sich mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. So erwarben sie sprachlich und inhaltlich Fähigkeiten, die ihnen dabei helfen werden, unser aller Zukunft mitzugestalten. 

Hintergrundinformationen
Das Schickhardt-Gymnasium ist ein allgemeinbildendes Gymnasium und eine Eliteschule des Sports in Stuttgart. Es ist eine der Pilotschulen, die am deutsch-französische Virtual-Reality-Projekt APLIM (dt. Immersives Fremdsprachenlernen) teilnahmen, welches vom Landesmedienzentrum in Deutschland betreut wurde. Der dafür verantwortliche Lehrer war Claus Blanz und bei den Klassen handelte es sich um zehnte Klassen. Bei der Englischsequenz aus diesem Bericht handelt es sich um eine von drei Sequenzen, die zusammen mit einer französischen Partnerklasse durchgeführt wurden.

Zum Einsatz kam hier erstmals die VR-Kofferlösung der Stadtmedienzentren Stuttgart und Karlsruhe. Die Koffer mit 16 Oculus Go-Brillen, vier 360-Grad-Kameras, zwei Tablets, einem Klassensatz CoSpaces-Lizenzen und der App EXP360, mit der virtuelle Touren angefertigt und erlebt werden können, sind bei den Stadtmedienzentren ausleihbar.  

 

Stephanie Wössner, ursprünglich veröffentlicht am 18.06.2019, überarbeitet am 24.02.2022

Bildergalerie

Stephanie Wössner

E-Mail senden

Diese Seite teilen: