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Telegram: Sicherer Messenger oder schon Dark Social?

Sascha Schmidt
Icon von Telegram Messaging Dienst

LoboStudioHamburg via Pixabay

Viel Sicherheit, wenig Kontrolle

Verschwörungstheorien, Fake News und extremistische Inhalte: Während Plattformen wie Facebook und Twitter ihre Strategien im Kampf gegen diese Phänomene immer weiter ausbauen, suchen sich Aktivisten inzwischen alternative Plattformen: Zu den beliebtesten Messaging-Diensten zählt dabei Telegram. Doch warum ist gerade diese App für Aktivisten so interessant?

Telegram ist ein kostenloser Instant-Messaging-Dienst, der 2013 erstmals in den App-Stores erschien. Neben den gängigen Messaging-Funktionen verfügt Telegram auch über sogenannte „geheime Chats“, in denen die Unterhaltungen sowie getauschte Dateien nur lokal auf den Endgeräten gespeichert werden. Eine Nachverfolgung der Chatinhalte ist somit von außen nahezu unmöglich. Ein Impressum weist Telegram nicht auf. Nach eigenen Angaben hält sich das Entwicklerteam derzeit in Dubai auf.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat in ihrem Bericht „Alternative Wirklichkeiten“ Telegram als Dark Social Plattform bezeichnet. Der Begriff Dark Social bezieht sich dabei auf den kaum nachverfolgbaren Datenverkehr von Online-Diensten. Für alternative Szenen ist die Plattform deshalb so attraktiv, weil hier Inhalte ungestört von inhaltlicher Moderation gestreut werden können. Ausgewählte Telegram-Kanäle mit rechtsextremen Inhalten werden zwar standardmäßig auf iPhones gesperrt, jedoch haben die Betreiber der Kanäle inzwischen Möglichkeiten gefunden, diese Sperren zu umgehen. Telegram bietet zudem ein großzügiges Gruppenlimit von 200.000 Mitgliedern und keine Abonnentenbegrenzung für Telegram-Kanäle (ähnlich eines Social Media Profils). Die kaum vorhandenen Kontrollmechanismen der Plattform führten schlussendlich dazu, dass Schlüsselfiguren alternativer Bewegungen inzwischen Telegram als zentrale Plattform zur Verkündung ihrer Weltansichten nutzen.

Wer bestimmt über angezeigte Inhalte?

Ein weiterer Vorteil der Plattform für alternative Bewegungen ist, dass kein Algorithmus über die angezeigten Inhalte für Nutzerinnen und Nutzer bestimmt. Der Informationsfluss erfolgt unmittelbar und in Echtzeit. Neue Beiträge auf den Kanälen landen per Push-Nachricht direkt bei den Abonnenten. Das Weiterleiten von Nachrichten ist ebenso nahezu unbegrenzt möglich und hat kein festgelegtes Limit wie bei WhatsApp. Inhaltliche Filter gibt es auch so gut wie keine. Die Plattform hat sich selbst als Leitlinie gesetzt, keine alternativen Meinungen zu unterbinden, solange diese friedlich zum Ausdruck gebracht werden. Bislang mischt sich die Plattform nur bei terroristischen Inhalten ein. Zwar gilt in Deutschland das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), welches dafür sorgt, dass Plattformen strafrechtlich relevante oder volksverhetzende Inhalte löschen und melden müssen. Das NetzDG zielt allerdings nur auf Plattformen mit Gewinnerzielungsabsicht. Somit fällt Telegram für das NetzDG gewissermaßen in eine Grauzone. Für die Identifizierung von strafrechtlich relevanten Nutzerinnen und Nutzern ist zudem die Hilfe der Plattform-Betreiber nötig. Diese bietet Telegram allerdings nur bei klar identifizierbaren, terroristischen Inhalten mit „Gefahr in Verzug“. Phänomene wie Verschwörungstheorien oder Extremismus zählen für Telegram nicht zu den meldepflichtigen Inhalten.

All jene aufgeführten Eigenschaften von Telegram machen den Messaging-Dienst zwar nicht zwangsläufig zu einer gefährlichen Plattform. Bei normaler Nutzung bietet die App im Prinzip jene Funktionen, die mit WhatsApp vergleichbar sind. Wenn sich Kinder und Jugendliche bewusst für diesen Messaging-Dienst entscheiden, empfehlen wir Eltern dennoch, diese Entscheidung bewusst zu hinterfragen. Stecken Datenschutzbedenken bei anderen Apps dahinter? Spielen gruppendynamische Gründe im sozialen Umfeld eine Rolle? Oder hat tatsächlich das bewusste Verfolgen gefährdender Inhalte etwas mit der Entscheidung zu tun?

Bei Fragen steht Ihnen unsere medienpädagogische Beratungsstelle zur Verfügung. Mehr Informationen zu den Themen des Jugendmedienschutzes lesen Sie hier.

Sascha Schmidt

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