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Erfolgsgeheimnis Influencer – Interview mit Julia Kost

Madeleine Hankele-Gauß
Das Foto zeigt die Autorin Julia Kost

Julia Kost, Autorin des Buchs „Influencer Marketing“, Beraterin für digitales Marketing bei Mercedes-Benz Consulting und Dozentin an der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) | Foto: Julia Kost

Gespräch über Influencer Marketing mit Autorin, Beraterin und Dozentin

Ob Julien Bam, Pamela Reif oder Gronkh: Influencer sind schillernde Persönlichkeiten, die gerade auf Kinder und Jugendliche eine besondere Faszination ausüben. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis? Warum wollen immer mehr Unternehmen mit ihnen kooperieren? Und was können sich Lehrkräfte von ihnen „abschauen“? Darüber und über die Zukunft der Influencer-Branche haben wir mit Julia Kost gesprochen, Autorin des Buchs „Influencer Marketing“, Beraterin für digitales Marketing bei Mercedes-Benz Consulting und Dozentin an der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM)

Meinungsführer, Experte oder Unternehmer: Was macht einen Influencer aus?

Influencer sind sehr vielseitig und viele sind alles ein bisschen – Unternehmer sind allerdings nicht alle. Den digitalen Influencer, der im engeren Sinne gemeint ist, macht einmal aus, dass er in den sozialen Medien präsent ist und dort eine gewisse Reichweite und Berühmtheit erlangt hat. Das bedeutet, dass sie oder er auch über eine Community [d.h. eine Gemeinschaft von Nutzerinnen und Nutzern, die gemeinsame Interessen und Werte teilt, Anm. d. Red.] verfügt, mit der sie oder er in regelmäßigem Austausch steht. Dies liegt daran, dass Influencer als Personen mit Autorität zu einem bestimmten Thema wahrgenommen werden – entweder durch veröffentlichte Inhalte oder Kompetenzen, manchmal auch nur durch Engagement oder Motivation.

Worin liegt das Erfolgsgeheimnis von Influencern? Warum üben sie gerade auf Kinder und Jugendliche eine besondere Faszination aus?

Als schillernde Persönlichkeiten, die Selbstvertrauen ausstrahlen, bieten Influencer für alle Altersklassen eine Identifikationsfläche. Dadurch, dass sie so viel von sich und ihrem Leben preisgeben, wirken sie glaubwürdig: Man hat das Gefühl, sie zu kennen. Meistens sind sie auch modern, probieren neue Sachen aus und inspirieren andere auf diese Weise. Gerade für Kinder und Jugendliche können sie so zu wichtigen Identifikationsfiguren werden, da sie aktiv auf der Suche nach Vorbildern sind. Influencer treten in der Regel dort in Erscheinung, wo junge Menschen sich ausprobieren, im sogenannten Poplife. Das können Momente, Menschen oder Orte sein, die ein bestimmtes Image, bestimmte Wünsche, Geschmäcker und Hobbys reflektieren. Mit ihrer Authentizität und Persönlichkeit schaffen Influencer es hier, andere mitzureißen.

Entsteht für erfolgreiche Influencer irgendwann ein Spagat zwischen Professionalität und dem Ziel, für die Community noch authentisch zu wirken?

Ja, total, ich würde aber sogar sagen, das ist der Spagat, den alle Influencer machen müssen. Gerade die sozialen Medien verleiten dazu, sich selbst besonders positiv darzustellen. Dazu gibt es aber auch Gegenbewegungen, die für mehr Natürlichkeit und Blicke hinter die Kulissen stehen. Trotzdem bleibt das Gezeigte ein Ausschnitt einer Person, die nur das von sich preisgibt, was sie preisgeben möchte. Einige Influencer tappen dabei in die Falle, zu viel zwischen verschiedenen Marken hin- und herzuwechseln und diese als ihre jeweilige Lieblingsmarke darzustellen.

Als Sie an Ihrem Buch zu Influencer Marketing gearbeitet haben: Was war die für Sie überraschendste Erkenntnis zum Thema?

Überraschend für mich war, dass viele Influencer, die nach gängiger Definition Influencer sind, sich selbst gar nicht so bezeichnen möchten. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass Influencer in den Massenmedien in letzter Zeit ein schlechtes Image bekommen haben: Ihnen wird vorgeworfen, ihr Schaffen sei unprofessionell, Fake und keine richtige Arbeit. Deswegen definieren die einen sich über das Format. Sie bezeichnen sich nicht als Influencer, sondern als Blogger/-in oder Podcaster/-in. Andere nennen Influencer nur als eines von mehreren Standbeinen, wie zum Beispiel Unternehmer/-in, Autor/-in oder Coach.

„Influencer sind erfolgreich damit, sehr viel persönlich und auf Augenhöhe zu kommunizieren“

Beim Stichwort Influencer denken die meisten an Beauty, Lifestyle und Fitness – zum Beispiel in Person von Pamela Reif. Doch die Bandbreite von Influencern ist hoch. Welche Typen von Influencern unterscheidet die Forschung?

So richtig einig ist sich die Forschung nicht. Viele nehmen die Followerzahl als eine Achse zur Unterscheidung von Influencern, die ein mehrstelliges Millionenpublikum erreichen, von denen, die nur eine begrenzte Reichweite haben. Die meisten Wissenschaftler/-innen unterscheiden auch zwischen „Poplife“ und „Dailylife“ – also Influencern, die moderne Lifestylethemen aufgreifen und eher die soziale Seite von sich zeigen, und solchen, die sich als Experten alltäglichen oder Nischenthemen widmen. Die Word of Mouth Marketing Association kennt zudem noch die Kategorie der „Professionals“, die durch ihr berufliches Auftreten Einfluss auf eine große Zahl von Menschen haben. Darunter fiel in der Vergangenheit zum Beispiel der Unternehmer Steve Jobs.

Was können sich Lehrkräfte, Pädagoginnen und Pädagogen von Influencern „abschauen“, um Bildungsangebote zeitgemäß zu gestalten?

Vorneweg: Nicht jede Lehrkraft muss können, was ein Influencer kann. Dafür ist es einfach zu komplex. Influencer sind erfolgreich damit, sehr viel persönlich und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Was immer gut funktioniert, sind außerdem Interaktionen und Challenges. Auf den Bildungskontext übertragen könnten das kreative Aktivitäten wie die eigene Gestaltung von Videos sein. Was man von Influencern dazu auf jeden Fall mitnehmen kann: Video müssen nicht perfekt sein. An sich ist es auch eine gute Idee, einfach mal Schüler/-innen danach zu fragen, welchen Influencern sie folgen und aus welchem Grund. Und wenn man Themen bearbeitet, könnte man auch einmal typische Influencer-Formate in den Unterricht aufnehmen, also eines ihrer Videos oder Podcasts anschauen und kritisch „auseinandernehmen“.

Wie sieht das Geschäftsmodell von Influencern aus?

So unterschiedlich Influencer sind, so unterschiedlich sind die Arten, wie sie ihr Geld verdienen – wenn sie überhaupt Geld verdienen. Manche verstehen sich auch als Blogger mit journalistischem Anspruch und schließen daher bezahlte Kooperationen aus. Stattdessen gehen sie Tauschgeschäfte ein, bei denen sie im Gegenzug für Berichterstattung Informationen erhalten. Das kann zum Beispiel eine Einladung zu einer Produktvorstellung sein. Viele Influencer verdienen ihr Geld jedoch über Werbung. Darunter fallen Werbeformate wie YouTube-Videos, Banner-Werbung auf Webseiten oder Affiliate Links. Das sind Links zu beworbenen Produkten. Sobald jemand auf diesen Link klickt und das Produkt kauft, erhält der Influencer dafür eine kleine Provision. Dazu kommen bezahlte Kooperationen mit Unternehmen. Die Entlohnung hierfür kann entweder ein Honorar für das Hochladen eines Videos oder das Posten eines Beitrags sein. Sie kann aber auch erfolgsbasiert nach Anzahl der Views oder Klicks erfolgen.

„Transparenz gehört zu den größten Herausforderungen beim Influencer Marketing“

Was versprechen sich Unternehmen von der Zusammenarbeit mit einem Influencer im Gegensatz zum Einsatz klassischer Werbemedien?

Für Unternehmen ist sie auf jeden Fall eine Möglichkeit, andere Zielgruppen zu erreichen: neue oder jüngere Zielgruppen. Außer der Reichweite versprechen sie sich Imageeffekte und einen Storytelling-Ansatz – also Marketing, das nicht wie Marketing aussieht. Man spricht auch von Pull-Marketing: Ein Unternehmen lässt sich von potenziellen Kundinnen und Kunden finden. Es möchte, dass die Leute über das Unternehmen stolpern. Das Gegenteil davon ist Push-Marketing, zum Beispiel in Form von großflächiger Plakatwerbung. Um sich im Bereich des Pull-Marketing zu positionieren, eignen sich Influencer gut, da sie kreativer und greifbarer wirken als das Unternehmen selbst.

Haben Sie ein Beispiel für eine gelungene oder auch eine misslungene Kooperation zwischen Unternehmen und Influencern?

Ungeschickt ist es, wenn Unternehmen versuchen, Blogger oder YouTuber zu unterbinden. Es gibt zum Beispiel einen Influencer namens „Held der Steine“, der einen Spielwarenladen hat und viele Videos über Lego macht. Die Firma Lego wollte ihn abmahnen, weil er die Marke in seinen Videos nennt. Das ging natürlich nach hinten los, denn die Community des Influencers kann in solchen Fällen auch unangenehm werden. Positive Beispiele gibt es hingegen ganz viele. Ich folge zum Beispiel Isabel Kraus auf Instagram. Sie ist im Bereich Fitness unterwegs und entwickelt eigene Produkte, zuletzt eine Babytrage. Sie arbeitet mit verschiedenen Unternehmen zusammen und diese Kooperationen wirken nie aufdringlich, da sie sich für die beworbenen Themen selbst interessiert oder die Produkte im Alltag benutzt.

Gerade für die Hauptzielgruppe Kinder und Jugendliche ist es häufig schwer zu beurteilen, ob ein Influencer Werbung für ein Produkt macht oder es aus freien Stücken empfiehlt. Welche Rolle spielt Transparenz beim Influencer Marketing?

Transparenz gehört zu den größten Herausforderungen beim Influencer Marketing. Leider gibt es wenig Rechtssicherheit dazu. Es ist schwierig für die Influencer, zu wissen, was wie gekennzeichnet werden muss – selbst, wenn sie alles richtig machen wollen. Vielleicht haben sie ein Produkt kostenlos zugeschickt bekommen, sind aber gleichzeitig wirklich Fan einer Marke und äußern ihre ehrliche Meinung zu einem Produkt: Müssen sie einen Beitrag dann als Werbung kennzeichnen oder nicht? Leider gibt es daher unter Influencern einen Trend dazu, zu viel zu kennzeichnen. Das macht es im Ergebnis noch undurchsichtiger. Das geht so weit, dass manche Influencer bereits den Hinweis „Anzeige, weil Markennennung“ nutzen, wenn sie nur irgendwo in einem Beitrag das Wort „Cola“ benutzen und das als Werbung interpretiert werden könnte.
 
Wenn Sie drei Prognosen zur Zukunft von Influencern abgeben müssten, welche wären das?

Die allererste ist: Influencer werden uns erhalten bleiben. Zweitens werden die medialen Grenzen stärker verschwimmen. Influencer, die aus Social Media bekannt sind, werden immer stärker in anderen Medien wie Fernsehen, Zeitungen oder dem Buchmarkt vorkommen. Ich hoffe außerdem, dass sich die Influencer-Branche weiter professionalisieren wird, das heißt, dass sich Standards zur Werbekennzeichnung und journalistischen Sorgfaltspflicht definieren lassen. Es wäre schön, wenn sich nach dem Vorbild des Pressekodex eine „Netiquette fürs Internet“ herausbilden würde, der sich Influencer selbst unterlegen und bei Verstößen dann auch abgemahnt werden könnten. Dem spielt in die Hände, dass auch Influencer erwachsen werden und durch veränderte Lebensumstände – zum Beispiel als Eltern – ein anderes Verantwortungsbewusstsein entwickeln.

Frau Kost, herzlichen Dank für das Gespräch.
 

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Madeleine Hankele-Gauß

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