Grundlagen filmischer Gestaltung
Hier finden Sie Informationen zu den Grundlagen filmischer Gestaltung.
Auseinandersetzung mit dem Film
Um bei einem Filmgespräch in die Diskussion einzusteigen, ist es naheliegend, den Film zunächst unter inhaltsanalytischen Gesichtspunkten zu betrachten. Doch um Film in seiner Gänze zu begreifen, muss auch eine gestaltungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Medium erfolgen. Wie ein solcher Zugang im Unterricht ermöglicht werden kann, stellte die Referentin Ines Müller in der Fortbildung „Film verstehen praktisch“ vor, die im Rahmen der sechsten SchulKinoWoche BW stattfand. Dabei wurden Arbeitsblätter und konkrete Aufgaben zur Hand gereicht, die Inszenierung von Gesprächssituationen praxis- und handlungsorientiert vermittelt und verschiedene Methoden im Hinblick auf Zeitaufwand und Integration in den schulischen Alltag diskutiert und ausprobiert.
GettyImages/zhengzaishuru
Praktische Filmbildung mit dem Ziel der „visuellen Alphabetisierung“
Film ist die Summe einzelner Einstellungen. Daher empfiehlt es sich, mit der Betrachtung eines Einzelbilds – der elementaren Einheit des Films – zu beginnen, wobei man stets im Hinterkopf behalten sollte, dass es ein Bild davor und eines danach gibt. Es stellt sich die Frage, warum gerade dieser Bildauschnitt gewählt wurde. Folgende Aussagen, die allesamt Film als Kommunikationsmedium beschreiben, werfen Licht auf die Frage: Film ist die bewusste Blickführung des Zuschauers, Film ist Inszenierung, Film besteht aus spezifischen filmischen Codes und Film transportiert Emotionen.
Zu den Gestaltungsmitteln des Bildes gehören der Kamerastil, Licht/Farbe, Montage/Schnitt, Ton/Sound/Musik und Ausstattung. Der Fokus der Fortbildung ruhte auf dem Kamerastil, der sich auffächern lässt in:
- Kadrage
- Einstellungsgröße
- Kameraperspektive und Kamerahöhe
- Kamerabewegung
Kadrage
Ein Bild sollte in der Regel drei Handlungsräume abbilden: den Vordergrund, den Mittelgrund und den Hintergrund. „Vordergrund macht Bild gesund“ ist ein weit verbreiteter Spruch unter Kameraleuten. Bei Amateuraufnahmen fehlt oft genau dieser Vordergrund.
Um sich in der Gestaltung und visuellen Aufteilung von Bildern zu üben, wurden zunächst einige Bilder vorgeführt, die schlecht proportioniert waren. Mittels eines neunteiligen Gitternetzes, das über das Bild gelegt und entsprechend positioniert werden konnte, wurde versucht, einen ästhetisch ansprechenderen Bildausschnitt festzulegen. Dabei erfuhr man, dass bei einer Personenaufnahme der Raum über dem Kopf des Dargestellten, der so genannte „Headroom“, nicht zu groß sein darf, dass bei einem Profilbild in Blickrichtung des Dargestellten Raum gelassen werden sollte, was man auch „Nose Room“ bzw. „Lead Room“ nennt, und dass bei Portraits die Augen nie in der Bildmitte sondern auf der unteren Linie des oberen Drittels liegen sollten.
Einstellungsgrößen – Funktion, Anwendung und Wirkung
Als Einstieg in die Thematik diente ein Ausschnitt aus dem Film Schnee, der auf Zedern fällt. Darin wurde überwiegend mit Groß- und Nahaufnahmen gearbeitet, was sich durch den ganzen Film hindurchzieht und eine bestimmte Wirkung hervorruft. Denn indem die Kamera ganz nah am Geschehen dran ist, fühlt man selbst die Enge des Raumes, die Vertrautheit der beiden Protagonisten zueinander und hat als Betrachter praktisch keine Chance, sich ihrer Geschichte zu entziehen.
Totale: Als „Establishing Shot“ dient die Totale in Einleitungen, Überleitungen oder Schlussszenen der Erklärung: Sie zeigt globale Zusammenhänge auf, informiert über Raum/Zeit, etabliert Set/Charaktere sowie Licht/Atmosphäre. Sie schafft Distanz und wirkt aufgrund geringer Blickführung, langsamer Kamerabewegung, langer Standzeit und geringem Schnittrhythmus beruhigend.
Habltotale: Funktion, Anwendung und Wirkung der Halbtotalen ist ähnlich wie bei der Totalen.
Amerikanische: Im Western eine klassische Duellszene einleitend, wo im unteren Bildfeld noch die Hand am Colt zu sehen ist, wird mit der Amerikanischen oft ein Zusammentreffen zweier Personen dargestellt. Die Gegenüberstehenden werden in ihrem Umfeld inszeniert, ihr Blick ist zu erkennen, der Bildausschnitt endet auf halber Oberschenkelhöhe. Das Bild hat eine starke Blickführung und eine mittlere Standzeit. Eine Bildtiefe entsteht, da der Bildmittelpunkt leer bleibt, was wiederum eine unangenehme Spannung aufbaut. Der Zuschauer wähnt sich in räumlicher Nähe.
Nah: Eine Nahaufnahme wirkt immer eindringlich. Die Distanz wird geringer, da der Hintergrund ausgeblendet wird und so eine starke Verdichtung auf das Motiv erfolgt. Die Gefühlsregung der Protagonistin wird deutlich, was die Aufmerksamkeit sowie den Grad der Anteilnahme des Betrachters erhöht. Nahaufnahmen werden häufig als „Shot-Reverse-Shot“ in Szene gesetzt, mit „Over-Shoulder“ und „Reaction Shot“ als Variante. Das Bild besitzt wenig Details, ein höherer Schnittrhythmus kann verwendet werden.
Groß/Close Up: Funktion, Anwendung und Wirkung der Großaufnahme ist ähnlich wie bei der Nahaufnahme. Die räumliche Nähe wird gewissermaßen erzwungen, ein Einbruch in die Intimsphäre ist erfolgt und provoziert beim Betrachter Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Die Bilder besitzen eine hohe Attraktivität, ein hoher Schnittrhythmus ist möglich.
Detail: Es gibt keine Distanz und keinen Hintergrund mehr, es erfolgt eine extreme Verdichtung auf das Motiv und offenbart dessen Gefühlsregung. Wenige, aber wesentliche Details, die Signalwirkung besitzen, finden sich hier, die man nicht inflationär zeigen sondern sich für besondere Momente aufheben sollte. Detailaufnahmen eignen sich als Zwischenschnitte, als „Cut In“ oder „Reaction Shot“ – ein extremer Schnittrhythmus kann vorliegen.
I. Praktische Übung: Einstellungsgrößen
In Kleingruppen werden die verschiedenen Einstellungsgrößen mit einer Fotokamera nachempfunden und ins Bild gesetzt. Anmerkung: Geschickt ist eine Kamera, die einen Anschluss für AV-Kabel besitzt, so dass sie mit jedem x-beliebigen Fernsehgerät verbunden werden kann und die Bilder während bzw. nach dem Aufnehmen gemeinsam betrachtet werden können. Denn nicht jede Schule besitzt einen Beamer, jedoch findet sich bestimmt irgendwo ein alter Bildschirm.
II. Praktische Übung: Kameraperspektive
Man unterscheidet zwischen der Normalperspektive, der Aufsicht (in ihrer Extremform Vogelperspektive genannt) und der Untersicht (in ihrer Extremform Froschperspektive genannt). In Gruppenarbeit werden nun drei Fotos von einer Person aufgenommen, auf denen sie einmal ängstlich, einmal neutral und einmal überlegen wirkt. Dies soll allein durch das Verwenden der entsprechenden Kameraperspektive erzielt und nicht etwa durch Mimik oder Körperhaltung der Person zum Ausdruck gebracht werden. Der Gesichtsausdruck bleibt immer gleich, auch sollte der Bildausschnitt immer der gleiche bleiben; Zoomen ist folglich nicht erlaubt. Die Kameraposition verändert sich also nur in der Höhe und wechselt nicht ihren Standort.
Kamerabewegung
Als Einstieg diente die Anfangsszene von Tom Sawyer (2011), in der die beiden Freunde entlang des Ufers des Mississippis rennen. Die Szene wirkt sehr dynamisch, sie ist als Kamerafahrt gedreht und spielt zusätzlich mit verschiedenen Einstellungen, so dass die Kamera stellenweise nur auf die laufende Füße gerichtet ist.
Eine Form der Kamerabewegung ist der Schwenk, bei dem sich die Kamera auf einem Stativ oder in der Hand um einen fixen Punkt dreht. So wie bei einer Kopfbewegung der Blick ein größeres Bildfeld einfängt, kann die Kamera mit einem Schwenk einen größeren Schauplatz zeigen.
Der Horizontalschwenk verdeutlicht räumliche Relation, will Realität abbilden und verläuft zumeist analog unserer Leserichtung, also von links nach rechts. Als Faustregel gilt, dass Anfang und Endpunkt eines Schwenks immer ca. 5 Sekunden stehen bleiben sollten. Dasselbe gilt für den Vertikalschwenk, wobei dieser von oben nach unten verläuft oder vice versa. Es soll angemerkt sein, dass es nicht einfach ist, einen guten, stimmigen Schwenk umzusetzen. Ines Müller fügte hinzu: „Ich finde, Schwenks werden überschätzt.“
„Die Kamerafahrt ist die Bewegung einer Kamera durch den Raum beim Filmen.“ Dabei werden im professionellen Bereich verschiedene technische Hilfsmittel eingesetzt, um ein Verwackeln des Bildes zu vermeiden. Eine Parallelfahrt wird beispielsweise durch einen kleinen Kamerawagen realisiert, der Dolly genannt wird, und auf Schienen parallel zur Handlung mitfährt. Selbstredend muss sich Dolly dabei in derselben Geschwindigkeit fortbewegen wie das Motiv.
Bei einer Kreisfahrt wird das Motiv von der Kamera kreisförmig umfahren. Die vollständige Umfahrt, 360°-Kamerafahrt genannt, geht auf den deutschen Kameramann Michael Ballhaus zurück, was ihr auch den Spitznamen Ballhaus-Kreisel gibt. Bei einer Kreisfahrt muss das Kamerateam vor Ort im „On“ mit der Kamera mitlaufen, da sie sonst aus Versehen ab einem gewissen Punkt im Bildhintergrund erscheinen würde.
Räumliche Orientierung
Für das Schuss-Gegenschuss-Prinzip (Shot-Reverse-Shot) wird eine Szene von zwei unterschiedlichen Standorten aus abgefilmt. Wie geht man vor? Zunächst zieht man eine imaginäre Linie zwischen den handelnden Personen, die so genannte Handlungsachse. Mit dem Master Shot wird nun die Positionierung der Personen im Raum festgelegt. Dafür stellt sich die Kamera so auf, dass die Kameraachse (eine gedachte Linie zwischen Kamera und Handlung) im 90°-Winkel zur Handlungsachse steht. Von der Handlungsachse ausgehend denkt man sich einen Halbkreis, auf dem die Kamera für die Schuss- und Gegenschuss-Parts entsprechend platziert wird. Wichtig ist bei diesem Prinzip, dass die räumliche Orientierung, die vom Master Shot vorgegeben wird, bestehen bleibt, so dass beispielsweise eine Person immer in der rechten Bildhälfte, die andere Person hingegen immer in der linken zu sehen ist.
III. Praktische Übung: Storyboard
Eine Geschichte mit einem offenen Ende ist vorgegeben. In acht Bildern soll nun chronologisch der Hergang der Geschichte und deren Auflösung erzählt werden, wobei mit unterschiedlichen Kameraperspektiven und Einstellungsgrößen gearbeitet und nach Möglichkeit auch das Schuss-Gegenschuss-Prinzip untergebracht werden soll. Die Bilder werden zunächst in ein Storyboard skizziert und dann nachgestellt und abfotografiert.
IV. Praktische Übung: Minutengeschichte „SMS“
Als krönender Abschluss soll eine Kurzgeschichte* filmisch umgesetzt werden. Die Szenen werden dabei chronologisch gefilmt, so dass sie im Anschluss ohne Schnitt oder Postproduktion abgespielt werden können. Es empfiehlt sich, als erstes einen Drehplan zu erstellen, um die einzelnen Sequenzen zu planen. Dabei notiert man jeweils ein paar Stichpunkte zu Aussageabsicht/Inhalt, Bildbeschreibung und Einstellungsgröße.
(* Der Plot: Person A sitzt auf einer Parkbank und schreibt eine SMS. Person B setzt sich dazu und versucht neugierig die SMS zu lesen.)
Rechts sehen Soe die Minutengeschichten der beiden anderen Arbeitsgruppen aus.
Elke Albrecht
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